Auch nur ein Mann
Im Kino: »Mandela« von Justin Chadwick
Es gibt Filme, die sind genau so, wie man sie sich vor dem Kinobesuch vorgestellt hat. »Mandela« von Justin Chadwick ist so ein Film. Was nicht bedeutet, dass er nicht sehenswert wäre. Aber er ist vorhersehbar, und das nicht nur, weil die Geschichte des südafrikanischen Anwalts, Guerilleros, Häftlings und ersten schwarzen Präsidenten so vertraut ist. Chatwick ging bei Erzählform, Schnitt, Dramaturgie und Musik sehr konventionelle Wege. Man spürt zudem förmlich seine dauernde Sorge, über ein Ziel hinausschießen oder wichtige Aspekte unterschlagen zu können. Das ist eine Haltung, die man als Achtung bezeichnen kann, die aber auch zu einem pflichtbewussten Abhaken der Lebensstationen durch Regie und Drehbuch (William Nicholson) führte.
Aber wie hätte man diese Geschichte auch anders schildern sollen als in Form einer chronologischen, zeitlich stark gerafften Nacherzählung? Und welcher Regisseur hätte das Risiko eingehen wollen, diese Heldengeschichte durch unter Umständen verkorkste künstlerische Ansprüche zu beschädigen?
Der nun oft gezogene Vergleich zu Steve McQueens »12 Yaers a Slave« ist da ein wenig ungerecht. Das Sklavereidrama ist zweifellos in jeder Hinsicht innovativer, härter, konsequenter, abseitiger, mutiger. Doch McQueen erzählt eben nicht 80, sondern zwölf Jahre. Er schildert zudem die Geschichte eines nahezu Unbekannten, spürte bei der Arbeit also nicht die Augen der gesamten südafrikanischen Nation im Rücken, auf seinen Schultern lasteten nicht die Erwartungen von Schwarzen auf der ganzen Welt. Den Druck auf die Produzenten illustriert der Fakt, dass angeblich 16 Jahre und 34 Drehbuchfassungen für die Planung des teuersten südafrikanischen Films aller Zeiten verschlissen wurden.
Mit Idris Elba als Nelson Mandela hat Chatwick allerdings einen großen Trumpf im Blatt, und spielt diesen auch in fast jeder Szene aus: Elbas Mandela mit seinem mächtigen Körperbau und der zwischen Güte, Witz und Wut wechselnden Mimik ist eine Naturgewalt - als junger Draufgänger ebenso wie als alternder Häftling, als Liebhaber, als Terrorist, als charismatischer Politiker.
Seine größten Schwächen offenbart der Film im ersten Drittel. Hier wird in sehr knappen und dadurch etwas distanzierten und unbefriedigenden Szenen die Radikalisierung des jungen Anwalts skizziert.
Durchgehend störend ist der Einsatz der Musik, die gereckte Fäuste mit zäher Streicher-Sauce verklebt, oder Straßenkampf mit allzu offensichtlichen Popsongs wie »Fight the Power« von Public Enemy oder »War« von Bob Marley unterlegt. Auch die unsäglichen U2 dürfen nicht fehlen.
Wer bei dem Biopic aber eine kritikfreie Lobhudelei erwartet hat, wird (vorübergehend) eines Besseren belehrt. Denn die spätere Lichtgestalt war auch nur ein ein Mensch, dazu noch ein Mann. Und zwar einer, der die Frauen liebte und sich wohl auch zu häuslicher Gewalt hinreißen ließ - bis er schließlich mit Winnie Mandela nicht nur die große (später tragisch scheiternde) Liebe, sondern auch eine verschworene Kampfgefährtin findet.
Es sind diese Liebe und das Winnie gnadenlos mitspielende Schicksal, dass den Zuschauer am Ende mehr mitreißt als die großen politischen Umwälzungen. Naomie Harris spielt die aufrechte, militante, im Gefängnis gehärtete, später giftig-fanatische Kämpferin, die nicht weniger gelitten hat als ihr Mann und nie nur dessen Ehefrau war.
Neben der schauspielerischen Leistung ist es ein aufklärerisches Verdienst, dass die Geschichte dieser widersprüchlichen, missverstandenen und (zum Teil wohl zu Recht) gehassten Frau so großen Raum einnimmt. Man saugt aber natürlich auch die Aspekte in Mandelas Werdegang besonders gierig auf, die man noch nicht in- und auswendig kennt.
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