Der Teufel trägt Nadelstreifen
Grünenpolitiker Gerhard Schick diskutiert mit Deutsche-Bank-Chef über Macht
Es war ein Februarvormittag, der fast schon frühlingshaft war. Die Sonne schien am Donnerstag auf das Berliner Theater, in dem der finanzpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, sein neues Buch vorstellte. »Machtwirtschaft - nein danke!«, heißt es. Der promovierte Volkswirt Schick wendet sich darin gegen die unheilsame Verzahnung der Politik mit den großen Konzernen. Doch will der Grünenpolitiker nicht mehr Staat, sondern einen anderen Staat. Vor allem versteht er sein Buch als ein Plädoyer für die Marktwirtschaft.
Für die Buchvorstellung wählten Schicks Verleger vom Campus-Verlag nicht nur einen außergewöhnlichen Ort. Auch ein gewichtiger Namen sollte bei der Präsentation als Zugpferd dienen. Und so saß er im blauen Nadelstreifenanzug mit auf dem Podium - nicht mal einen halben Steinwurf vom Publikum entfernt - Jürgen Fitschen. Für viele Kapitalismuskritiker ist er die Reinkarnation des Bösen. Zusammen mit Anshu Jain leitet er seit dem Abgang von Josef Ackermann die Deutsche Bank - eben jenes größtes deutsches Finanzinstitut, das wegen Zins- und Devisenmanipulationen nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus kommt und vielen Menschen seit dem Ausbruch der Finanzkrise als Hassobjekt Nummer eins dient.
Doch wie viel Macht hat Fitschen überhaupt? Und handelt nicht auch er moralisch? »Der Gewinn als solcher hat mit Moral nichts zu tun«, gestand der Banker fast nebenbei. Doch will er auch nicht als Buhmann der Nation dastehen. So sprach er vom »Kulturwandel«, den er zusammen mit Co-Chef Jain eingeleitet habe und der ein »langwieriger Prozess« sei. Wie der genau aussieht, darüber sprach Fitschen nicht, nur dass die Anleger jetzt genauer hinschauten.
Fast schon links hörte sich an, was Fitschen zur Bankenrettung zu sagen hatte: »Eine Bank muss pleite gehen können, ohne dass die Steuerzahler dafür zahlen.« Stattdessen sollten die Aktionäre dafür bluten. Vielleicht will Fitschen aber auch nicht, dass sich diese »Situation von 2008« wiederholt, weil sein Institut damals nicht direkt von den staatlichen Hilfen profitierte. Sein Vorgänger Ackermann schloss damals nämlich Finanzspritzen von Vater Staat aus. Stattdessen wurde die Konkurrenz von der Commerzbank mit Milliardenhilfen vor dem Untergang gerettet.
Als es jedoch um die Lehren aus der Finanzkrise ging, schlug Fitschen ganz andere Töne an. Er sprach von einem Dreiklang »zwischen Stabilität, Effizienz und Freiheit«, der eingehalten werden müsse. Die Freiheit vor allem, mal falsche Entscheidungen zu treffen. Und bei der Frage um die europaweite Regulierung des Bankenwesens machte sich der Global Player plötzlich ganz klein: »Wir können manche Sachen nicht mehr leisten, wenn es nur uns trifft und nicht unsere Konkurrenten.« Wenn Banken aus Deutschland heraus mithalten können sollten, müssten deshalb für sie die gleichen Regulierungen gelten wie für die globale Konkurrenz.
Bei der Frage nach der persönlichen Verantwortung sprang dann der grüne Abgeordnete Schick dem Manager beiseite: »Das Gros ihrer Investoren drängt sie genau in die Richtung, dass das Geld wieder im Vordergrund steht.« Fitschen also als ein einfacher Angestellter des Kapitals?
Genau deswegen will Schick eine »menschenwürdige Ordnung« haben, die den Menschen in seiner Gesamtheit berücksichtigt. Doch das kann ein einzelner Mensch nicht schaffen. So schreibt Schick im letzten Kapitel seines Buches: »Es geht um das ›Wir‹ und nicht um das ›Ich‹.« Dies will er als eine Aufforderung verstanden wissen, sich aktiv in die Gestaltung der Gesellschaft einzumischen. Denn die gegenwärtigen »Machtverhältnisse werden sich nur ändern lassen, wenn wir gemeinsam an ihrer Überwindung arbeiten«. Diese Verhältnisse beschnitten die Freiheit des Einzelnen: »Wenn der Marktanteil eine Unternehmens zu groß ist, dann gibt es keine Entscheidungsfreiheit mehr«, meint Schick und fordert die Rückkehr zu mehr Markt und Wettbewerb.
Bleiben die Menschen dann nicht den anonymen Kräften des Marktes unterworfen? Eben jenen Kräften, die auch Schick anspricht, wenn er sagt, dass Fitschen nicht ganz frei in seinen Entscheidungen ist, weil er im Interesse der Anleger handeln muss? Fragen, die im Deutschen Theater nicht gestellt wurden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.