Das EU-Protektorat Kosovo bleibt eine Baustelle
Das Land hängt weiter am Tropf ausländischer Hilfszahlungen
Königin Elizabeth und US-Präsident Barack Obama haben zu Wochenbeginn genauso pflichtschuldig ein Glückwunschtelegramm nach Kosovo gekabelt wie Bundespräsident Joachim Gauck. Von einem »Land der Möglichkeiten« und »vollwertigen Mitglied der Familie der freien Staaten« sprach zum Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Kosovos Präsidentin Atifete Jahjaga: »Wir bleiben unserer Vision treu: dem Ideal eines fortschrittlichen Staats.«
Allerdings kommt auf der Dauerbaustelle Kosovo trotz des Selbstlobs der Würdenträger nur wenig Festfreude auf. Nicht nur Spekulationen über den Fall der Regierung von Premier Hashim Thaci und vorgezogene Neuwahlen überschatten das Jubiläum. Trotz des von Brüssel verordneten Nachbarschaftsdialogs mit dem einstigen Mutterland Serbien sind Fortschritte in Europas Armenhaus noch immer rar. Und noch immer scheint der kriselnde Staatsneuling von der ersehnten EU-Zukunft Lichtjahre entfernt.
Ausgelassene Freudenfeiern hatten am 17. Februar 2008 die offizielle Loslösung von Serbien begleitet. Am tristen Alltag der 1,8 Millionen Einwohner hat sich seither wenig geändert. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze: Die Arbeitslosenrate wird auf 45 Prozent geschätzt, die Jugendarbeitslosigkeit auf 75 Prozent.
Selbst Wachstumsraten von vier Prozent pro Jahr sind angesichts der trostlosen Ausgangslage zu wenig. Das Land hängt weiter am Tropf ausländischer Hilfszahlungen und der Überweisungen emigrierter Landsleute in der Fremde. Wenigstens die Weltbank hat eine spürbare Verbesserung des Geschäftsumfelds in Kosovo ausgemacht - auch wenn das Land immer noch vergeblich auf ausländische Großinvestoren harrt.
Immerhin: Lesotho hat kürzlich als 106. Staat Kosovo anerkannt. Über die Hälfte der 193 UN-Mitglieder unterhalten inzwischen mit Kosovo diplomatische Beziehungen, doch der Zeitpunkt der erhofften UN-Mitgliedschaft ist wegen der anhaltenden Gegnerschaft Serbiens, Russlands und Chinas weiter ungewiss.
Zwar ist es nicht zuletzt dem Druck Brüssels zu verdanken, dass Belgrad inzwischen pragmatische Töne gegenüber seiner ehemaligen Provinz anschlägt, aber wenn es um die Anerkennung der Unabhängigkeit geht, heißt es aus Belgrad stets: »Niemals!« Und nicht einmal die EU segelt in Sachen Kosovo auf einer Linie. Fünf ihrer 28 Mitglieder - Griechenland, Rumänien, die Slowakei, Spanien und Zypern - erkennen die Unabhängigkeit des Landes nicht an.
Fast in allen internationalen Organisationen schmort Kosovo wegen des serbischen Widerstands noch immer im Wartesaal. Jetzt dürfen wenigstens Kosovos Kicker das unfreiwillige Fußballghetto verlassen: Mit dem Segen der FIFA dürfen sie Freundschaftsspiele bestreiten. Als Provokation bewerten serbische Medien bitter die Ankündigung des kosovarischen Fußballverbandes, dass die für den 5. März festgesetzte Premiere gegen Haiti ausgerechnet in der geteilten Stadt Mitrovica über den Rasen gehen soll. Dabei hat die Entscheidung für das dortige Adem-Jashari-Stadion praktische und für den Zustand des Landes sehr typische Gründe: Das baufällige Stadion in Pristina muss vor der Austragung von Länderspielen erst völlig überholt werden.
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