Was ist bei Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche zu tun?
Fragen & Antworten rund um die automatisierte Erhebung der Kirchensteuer bei Kapitalerträgen ab 2015
nd: Inwieweit ist es ein rechtlich korrekter Vorgang, dass Banken und Sparkassen die Konfessionszugehörigkeit abfragen dürfen?
Sukowski: In Deutschland bestehen kraft Verfassungsrecht formal keine Staatskirchen (Artikel 140 Grundgesetz unter Bezugnahme auf Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung). Auf Grundlage von Verträgen und Vereinbarungen zwischen dem deutschen Staat und anerkannten Religionsgemeinschaften mit »Körperschaftsstatus« dürfen diese Kirchensteuer erheben. Insbesondere die katholische und die evangelischen Kirchen machen davon Gebrauch.
In der Praxis wird diese Steuer in den meisten Fällen von den staatlichen Finanzbehörden im Auftrag der Kirchen gegen Kostenersatz eingezogen sowie bei abhängig Beschäftigten als Zuschlag auf die Lohnsteuer durch die Arbeitgeber abgeführt.
Mit Einführung der Abschlagsteuer auf Kapitalerträge ab 2009 befürchteten die betroffenen Religionsgemeinschaften Einnahmeverluste und drängten auf eine Lösung. Deshalb waren alle Steuerpflichtigen, die Mitglied einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft sind und Kapitalerträge (Zinsen und ähnliches) oberhalb des Sparerpauschbetrages von 801 Euro hatten, verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, damit das Finanzamt die fällige Kirchensteuer erheben konnte.
Diese Verfahrensweise soll sich nun ab 2015 ändern. Die Finanzverwaltung will nun auch diese Steuererhebung den Banken überlassen. »Alle Kirchensteuerabzugsverpflichteten und damit auch Kreditinstitute, Versicherungen und Finanzdienstleister, sind mit Wirkung ab 1. Januar 2015 verpflichtet, Kirchensteuer auf Kapitalerträge zu ermitteln und automatisch abzuführen.« So schreibt es das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vor und stützt sich dabei auf eine Reihe von Gesetzen.
»Automatisch« heißt: Der Gesetzgeber verpflichtet künftig auch Banken, Sparkassen, Versicherungen und andere, die Kirchensteuer einzuziehen. Dafür müssen diese Geldinstitute die Religionszugehörigkeit in Erfahrung bringen. Insofern ist es ein rechtlich korrekter Vorgang. Inwiefern das generelle Prinzip Kirchensteuer einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche entspricht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Eine Reihe kleinerer Religionsgemeinschaften verzichtet auf dieses Privileg und finanziert sich trotzdem.
Gegen diese Regelung werden vielfach Bedenken aus datenschutzrechtlichen Gründen erhoben. Wie berechtigt sind sie?
Es gibt in der Tat Bedenken aus datenschutzrechtlichen Gründen gegen das Abfragen der Konfessionszugehörigkeit. Wobei es nicht generell um eine Konfessionszugehörigkeit geht, sondern immer nur um die Zugehörigkeit zu einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft. Zum Beispiel in Berlin betrifft dies die römisch-katholische, die alt-katholische und die evangelische Kirche.
Es wird zwar immer die Anonymität betont, aber letztendlich steht auf jeder Steuerbescheinigung der Bank gegebenenfalls künftig die Kirchensteuer drauf und damit der Hinweis auf Zugehörigkeit zu einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft.
Die Bedenken haben offensichtlich nun auch den Bundestags erreicht.
Das ist zutreffend. Der Petitionsausschuss des Bundestages hat die Petition 48264 - »Einkommensteuer - Verfassungskonformität der Abfrage von Banken nach der Religionszugehörigkeit vom 2.1.2014« - angenommen.
Darin heißt es: »Der Deutsche Bundestag möge beschließen, § 51a Abs. 2c Satz 3 EStG auf seine Verfassungskonformität überprüfen zu lassen und gegebenenfalls notwendige Änderungen vorzunehmen.«
Die Begründung: »Genannter Satz des Einkommensteuergesetzes, der ab 2014 eine erste Abfrage durch die Kreditinstitute der Bundesrepublik beim Bundeszentralamt für Steuern über die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden vorsieht, stellt einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger dar.«
Die Petition findet man unter https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2014/_01/_02/Petition_48264.html.
Dort kann die Petition auch gezeichnet werden.
Was müssen Nichtmitglieder einer Religionsgemeinschaft konkret tun? Müssen sie sich ihre Nichtmitgliedschaft bei einem Standesamt kostenpflichtig bescheinigen lassen?
Nein. Wie bisher ist bei der Finanzverwaltung diese Nichtzugehörigkeit registriert. Die entsprechende Information wird dann den »Kirchensteuerabzugsverpflichteten«, also zum Beispiel den Banken, auf deren Anfrage mitgeteilt.
Müssen Nichtmitglieder bei ihrem Finanzamt Widerspruch gegen den Kirchensteuerabzug einlegen?
Wer keiner kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört, der muss auch keine Kirchensteuer zahlen. Hat das Finanzamt oder künftig die Bank dennoch Kirchensteuer einbehalten, muss mit einer Steuererklärung und dann gegebenenfalls mit einem Einspruch gegen den Steuerbescheid vorgegangen werden. Eventuell kann es in den neuen Bundesländern einige »Altfälle« betreffen.
Als DDR-Bürger war es relativ unproblematisch, aus der Kirche auszutreten. Jetzt bedarf es einer entsprechenden Erklärung beim zuständigen Amtsgericht. In den 1990er Jahren wurde bei einigen Arbeitnehmern plötzlich Kirchensteuer einbehalten, weil laut Kirchenbüchern eine Taufe und damit der Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft, aber kein offizieller Austritt erfolgte. Erst der offizielle Austritt nach bundesrepublikanischem Recht löste das Problem. Eventuell könnten solche veralteten Daten noch in den Archiven der Finanzverwaltung schlummern.
Nach Informationen von Banken und Sparkassen ist ein Widerspruch gegen Auskünfte über die jeweiligen Kirchensteuerdaten an das Bundeszentralamt für Steuern zu richten, das daraufhin das zuständige Finanzamt informiert. Für diesen Widerspruch wurde ein amtliches Formular im Internet unter https://www.formulare-bfinv.de/ angegeben. Können Sie zu diesem Formular nähere Details sagen?
Dieses amtlichen Formular trägt den Titel »Erklärung zum Sperrvermerk - § 51 a Einkommensteuergesetz (EStG) - Automatisierter Datenabruf der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft«.
Unter https://www.formulare-bfinv.de/ links im Menü »Formularcenter« und dann »Formulare A-Z« aufrufen. Im Katalog den Buchstaben »K« und dann den Eintrag »Kirchensteuer« aufrufen; den Eintrag »Erklärung zum Sperrvermerk« öffnen, ausfüllen und ausdrucken oder als Datei (pdf) abspeichern und per Hand ausfüllen.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wer den »Sperrvermerk« erklärt hat, ist damit nicht von der Kirchensteuer befreit. Mit dem Sperrvermerk wird lediglich verhindert, dass Kreditinstitute oder Versicherungen die Kirchensteuer automatisch abführen und auf diesem Wege persönliche Angaben zur Konfessionszugehörigkeit erfahren.
Wer dieser Abfrage also widerspricht und kirchensteuerpflichtig ist, muss wie bisher selbstständig seinem zuständigen Finanzamt mit einer Steuererklärung alle Kapitalerträge angeben. Das Finanzamt setzt dann die Kirchensteuer fest und führt diese ab. Diese Angaben werden in der Anlage KAP der Einkommensteuererklärung eingetragen.
Was aber können jene Steuerbürger tun, die - meist aus Altersgründen - keinen Zugriff aufs Internet haben?
Das Formular sollte auch bei jedem Finanzamt erhältlich sein. Falls nicht, kann es postalisch bestellt werden:
Bundeszentralamt
für Steuern, Dienstsitz Berlin, Arbeitsbereich Kirchensteuerabzug
11055 Berlin
Die Betroffenen können sich wegen dieses Formulars auch gern an unsere Beratungsstellen wenden.
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