Kalle darf bleiben

Proteste verhindern die Vertreibung eines Mieters

  • John Malamatinas, Köln
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit Monaten drohte einem Kölner Mieter die Zwangsräumung wegen der Anmeldung von Eigenbedarf. Proteste durchkreuzten diese Pläne am Donnerstag - zumindest vorerst.

Widerstand lohnt sich: Dieses Gefühl teilen nun der Mieter Kalle, seine Nachbarn und Hunderte Unterstützer. Am Donnerstag sollte eigentlich die Wohnung Karl-Heinz Gericks alias Kalle zwangsgeräumt werden. Der Immobilienmakler Marco Hauschild hatte im Auftrag der Objekt Design Hastrich GmbH Eigenbedarf angemeldet. Aus diesem Grund protestierte Kalle zusammen mit dem Bündnis »Recht auf Stadt« seit Monaten. Die angesetzte Räumung musste nun aufgrund der Entschlossenheit der Protestierenden verschoben werden. Und das obwohl in den letzten Tagen der Gerichtsvollzieher und der Kölner SPD-Fraktionschef Martin Börschel auf Kalle Druck ausgeübt hatten, freiwillig die Wohnung zu verlassen. Mit der Frage »Spontane Demo statt Blockade?« versuchten sie in der Presse, den Protest zu spalten und Kalle vor einer Eskalation zu warnen.

Schon ab 6 Uhr früh kamen am Donnerstag die ersten Nachbarn und Aktivisten in der Fontanestraße zusammen. Eine Stunde später stand die Blockade: Etwa 250 UnterstützInnen versammelten sich vor dem Haus, mindestens weitere 80 blockierten im Haus selbst. Die Online-Redaktionen der lokalen Zeitungen begleiteten minuziös die Protestvorbereitungen, Twitter lief heiß und auch Kamerateams waren vor Ort. Weit über Köln hinaus hat der Protest für Wellen gesorgt.

Ab etwa 8 Uhr wurde es spannend: Der Gerichtsvollzieher erschien samt Polizeibegleitung, um sich ein Bild der Lage zu machen. Die Aktivisten empfingen sie mit »Haut ab«-Rufen und signalisierten, dass es kein einfaches Durchkommen geben werde. Tatsächlich bereitete die Blockade, besonders im Inneren des Hauses, den Beamten Kopfzerbrechen. Der Gerichtsvollzieher und die Polizeieinsatzleitung zogen sich zur Besprechung zurück. Bis 11 Uhr blieb ein Räumungsversuch jedoch aus und es kursierten die ersten Gerüchte, dass der Einsatz abgebrochen sei. Wenige Minuten später konnte in der Tat am Lentpark die Verabschiedung des Gerichtsvollziehers und der Abzug der großen Polizeiaufgebot beobachtet werden. Nach Rücksprache mit dem Gläubiger hat der Gerichtsvollzieher entschieden, auf die Durchsetzung des Räumungstitels aufgrund einer möglichen Eskalation zunächst zu verzichten.

Als die Lage von den Protestierenden als sicher eingeschätzt wurde, zeigte sich Kalle glücklich über die breite Unterstützung am Fenster. Bis zum Start der Spontandemo durchs Agnesviertel dauerte es aber noch, denn JournalistInnen vieler großer Fernsehteams belagerten Kalle. Durch die Demonstration und den Aufbau eines Wohnzimmers auf einer Straßenkreuzung machten die Aktivisten überdies klar, dass mit ihnen auch beim zweiten Versuch zu rechnen ist.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.