Quote als Lackmustest

Die Sorben suchen nach einer geeigneten Form der Mitbestimmung

  • Hendrik Lasch, Bautzen
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Sorben wollen über ihre Geschicke stärker mitbestimmen. Möglichkeiten gäbe es viele - vom eigenen Parlament bis zum Marsch in die etablierten Parteien. Leicht ist keiner dieser Wege.

Brandenburg hat ein neues Sorbengesetz. Sind die Sorben dafür zu Dank verpflichtet? Schließlich hatten sie dessen Zustandekommen nur zu Teilen selbst in der Hand. Erste Ideen erarbeiteten sie selbst, sagt Měto Nowak, Mitglied im Sorben- und Wendenrat des Landes. Bei der Beratung im Landtag durfte die Minderheit immerhin noch mitreden. Beschlossen wurde das Gesetz dann aber von den Abgeordneten im Potsdamer Landtag - von denen keiner sorbisch spricht. »Von Selbst- bis Fremdbestimmung«, sagte Nowak bei einer Konferenz der sächsischen LINKEN in Bautzen: »Es war von allem etwas dabei.«

Im Spannungsfeld von Selbst- und Fremdbestimmung lebt die kleine slawische Minderheit seit jeher. Über ihre Geschicke entscheiden Ministerien in Potsdam und Dresden, Schulbehörden in beiden Bundesländern, Kreisverwaltungen, in denen Deutsche dominieren. Manchmal dürfen sie Bedenken und Anmerkungen äußern; es gibt Sorbenräte und in Brandenburg bald sogar einen Landesbeauftragten. Wie viel Einfluss dieser haben wird, ist aber offen. In Sachsen warten die Sorben auf das Recht, in Ausschüssen des Landtags gehört zu werden oder im Plenum reden zu dürfen, bisher vergebens. Selbst in der »Stiftung für das sorbische Volk«, die sorbische Kultureinrichtungen finanziert, sind von 15 Mitgliedern des maßgeblichen Stiftungsrats nur sechs Sorben - nicht einmal die Hälfte.

All das heißt nicht zwangsläufig, dass es den Sorben schlecht geht. Experten wie Stefan Oeter, Mitglied einer Kontrollgruppe für die Umsetzung der europäischen Charta zum Schutz der Minderheitensprachen, bescheinigt dem Freistaat Sachsen ein »ernsthaftes Bemühen um den Schutz und die Förderung« des Sorbischen. Im Schulbereich gebe es vernünftige Ansätze, für die Stiftung eine passable Finanzierung. Wenn aber die Minderheit dabei auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen sei, bestehe eine gravierende Gefahr, sagt Oeter: »Das wird schnell eine gönnerhafte Almosenpolitik.«

Über die Frage, wie die Sorben ihre Geschicke stärker selbst in die Hand nehmen können, wird freilich seit langem gestritten. Denkbar seien verschiedene Modelle, sagt Oeter, Professor für öffentliches Recht in Hamburg. Die »Konsultation«, wie sie etwa über Sorbenräte oder andere Gremien mit lediglich beratender Rolle erfolgen kann, braucht aufgeschlossene Politiker, wenn die vorgetragenen Ideen die Chance auf Umsetzung haben sollen. Wirksamer wäre die zumindest teilweise Selbstverwaltung. In der Lausitz hatte es zuletzt Vorstöße für ein eigenes Parlament gegeben, das etwa über Schulfragen autonom entscheiden sollte. Doch stockt die Initiative wegen vieler praktischer Fallstricke. Es gebe »massive Probleme im Detail«, warnt Oeter. Zu befürchten sei nicht zuletzt, dass derlei Autonomiegremien zwar Kompetenzen erhalten, aber nicht das Geld, um sie auch ausfüllen zu können.

Als nicht sonderlich praktikabel erweist sich für die Sorben auch die Möglichkeit, eine eigene Partei zu gründen. Auch solche Versuche hat es gegeben. Zumindest in Brandenburg wäre eine Sorbenpartei sogar von der Fünfprozent-Hürde ausgenommen. Allerdings müsste sie, um ein Mandat zu erringen, eine Mindestzahl an Stimmen einsammeln - eine fast unlösbare Aufgabe, so Nowak.

Zudem werden solche Zugeständnisse an Minderheiten leicht in Frage gestellt, »wenn die Machtfrage steht«, sagt Thede Boysen von der friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Er erinnert an die Verfassungsklage, mit der die Junge Union im Jahr 2013 den Schutzstatus für den Schleswigschen Wählerverband (SWV) kippen wollte, weil dieser mit SPD und Grünen regierte. Ohnehin hätte es der SWV schwer, wenn die dänische Minderheit nicht Geld aus Dänemark erhielte. Die Sorben haben kein »Mutterland«. Der Weg über eine Minderheitenpartei, sagt Boysen, sei in Deutschland denn auch »eher die Ausnahme«.

Bleibt also nur eine Möglichkeit: die Interessenvertretung über die etablierten Volksparteien. Das habe im jetzigen politischen System »große Vorteile«, meint auch Oeter; es sei aber »sehr voraussetzungsvoll«, füg er an. Soll heißen: Es klappt nur, wenn sich die Parteien der Minderheit auch öffnen. Um das nicht von Launen abhängig zu machen, gebe es nur einen Weg, sagt Boysen: »Es wird nichts um eine Quote herumführen.« Die Minderheit solle für ihre Vertreter aussichtsreiche Listenplätze garantiert bekommen. Wer diese besetzt, könnte im Interesse höherer Legitimität vorab in einer Art Vorwahl nach US-Vorbild ermittelt werden. Jubelrufe wird das in Parteien, in denen oft ohnehin schon Regionalproporz, Frauen- und Jugendquoten gelten, nicht auslösen. Aber, sagt Oeter, es sei der »Lackmustest« für den Umgang mit Minderheiten - wenn diese denn nicht nur fremdbestimmt sein sollen.

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