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In Luxemburgs Auftrag unterwegs zu Lenin
Ulrich Weitz hat eine Biografie von Eduard Fuchs, einem Mann im Schatten, verfasst
Falls überhaupt, dann kennen heutige Leser Eduard Fuchs vorwiegend als Autor einer reich mit erotischen Bildern ausgestatteten mehrbändigen Sittengeschichte. Was die wahre Persönlichkeit dieses Mannes ausmacht, ist im Untertitel des Buches angedeutet. Es war Lenin, der Fuchs einen »Mann im Schatten« nannte, der zu den wenigen gehöre, die der Sache dienen, ohne die eigene Person ins Rampenlicht zu stellen.
Ulrich Weitz verdanken wir nun ein facettenreiches Porträt, das uns nahebringt, auf wie vielen Feldern des politischen und kulturellen Lebens Fuchs aktiv war, wie vielen Mitstreitern er in schwierigen Situationen solidarisch zur Seite stand. Der Autor hat im Bundesarchiv Berlin, im Russischen Zentrum zur Aufbewahrung und zum Studium der Dokumente der neuesten Geschichte in Moskau und in der Hoover Institution on War, Revolution and Peace der Stanford University bisher unbeachtete Quellen aufgespürt.
Der am 31. Januar 1870 in Göppingen geborene Fuchs hatte sich schon unter dem Sozialistengesetz als Sechzehnjähriger der anarchistischen Bewegung angeschlossen und für seinen stürmischen Aktivismus mit Haftstrafen büßen müssen. Als wegweisend erwies sich die Tätigkeit des zum Sozialdemokraten Geläuterten in der Redaktion der satirischen Zeitschrift »Süddeutscher Postillion« - ein unmittelbar ins politische Geschehen eingreifendes Periodikum, das sich ständiger Angriffe der politischen Zensur, polizeilicher und juristischer Verfolgungen zu erwehren hatte. Um die Jahrhundertwende endete mit seiner Entlassung als Redakteur dieser Lebensabschnitt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist ihm zuvor noch der zur Herausgabe der »Iskra« in München weilende Lenin begegnet.
Fuchs wurde rasch in der kulturpolitischen Szene und im linken Spektrum der Sozialdemokratie seines neuen Domizils Berlin heimisch und erschloss sich unterschiedliche im Buche eingehend geschilderte Betätigungsfelder als freier Schriftsteller. Obwohl Autodidakt knüpfte er enge Beziehung zu bildenden Künstlern. Er durfte mit Recht von sich behaupten, er habe »als Erster in Deutschland die Bedeutung des zeitgenössischen Bildes als Wahrheitsquelle für die Erforschung vergangener Zeiten erkannt und in die Buchliteratur eingeführt«. Karikaturen und für wahre Emanzipation unerlässlicher freier Umgang mit Erotik bildeten den Inhalt seiner bahnbrechenden Publikationen, die ihm schließlich auch finanziellen Erfolg brachten und seine immense Sammlertätigkeit ermöglichten. Als »Pionier der materialistischen Kunstbetrachtung« bezeichnete ihn später Walter Benjamin.
Folgerichtig begegnet uns Fuchs während des Ersten Weltkrieges an der Seite der entschiedensten Kriegsgegner, der Zimmerwalder Bewegung, der Spartakisten, für die er Geld beschaffte, Verbindungen knüpfte. Wenn er am Gründungsparteitag der KPD nicht teilnahm, so deshalb, weil er im Auftrage Rosa Luxemburgs unterwegs zu Lenin war. Obwohl er Luxemburgs kritische Einstellung zu den Bolschewiki nicht teilte, sollte er ihre Absage an eine in Moskau residierende neue Internationale überbringen (Letzteres ist allerdings im Buche nicht mit Selbstzeugnissen von Fuchs belegt). Die Zahl der politischen, sozialwissenschaftlichen, archivalischen und kulturellen Projekte im Umfeld der KPD, für die sich Fuchs als nicht immer bequemer Ideen- und Geldgeber eingesetzt hat, ist zu groß, um hier im Einzelnen aufgeführt zu werden. Politische Differenzen, aber auch persönliche Querelen führten dazu, dass er 1928 die KPD verließ und zur Kommunistischen Opposition übertrat. Er warnte frühzeitig vor der faschistischen Gefahr, gehörte zu den ersten Verfolgten, weshalb er bereits Anfang März 1933 emigrierte. In den folgenden Passagen des Buches scheint mir sein antifaschistischer Widerstand etwas zu stark von den Auseinandersetzungen mit den Nazibehörden um seine Kunstsammlungen überlagert. Am 26. Januar 1940 starb Eduard Fuchs in Paris. Unter unwürdigen Umständen eingeäschert, wurde der Friedhof Père Lachaise seine würdige letzte Ruhestätte.
Die Vita Fuchs ist von Weitz mit spürbarer Sympathie für den »Mann im Schatten« beschrieben, obgleich der Autor vor allem Fakten und Zeitzeugen sprechen lässt. Der mit Illustrationen reich ausgestattete Band bietet auch einen Streifzug durch die bildende Kunst. Das Personenregister liest sich wie ein »Who is Who« der linken und liberalen Kulturszene jener Zeit. Chapeau.
Ulrich Weitz: Eduard Fuchs. Der Mann im Schatten. Anarchist, Verleger, Revolutionär, Mäzen, Politiker. Karl Dietz Verlag. 368 S., geb., 39,90 €.
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