Karlsruhe weist Klagen gegen ESM ab
Klagen gegen Euro-Rettungsschirm teils unzulässig und ansonsten unbegründet
Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Klagen gegen den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM endgültig abgewiesen. »Trotz der eingegangenen Verpflichtungen bleibt die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestags hinreichend gewahrt«, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung am Dienstag. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass etwaige Kapitalabrufe rechtzeitig und vollständig erfüllt werden könnten, sagte Voßkuhle. Damit soll verhindert werden, dass das Stimmrecht Deutschlands in den ESM-Gremien bei Zahlungsverzug ausgesetzt wird.
Schon im Herbst 2012 hatte das Gericht mit einer Eilentscheidung den Weg für die deutsche Beteiligung am »Europäischen Stabilitätsmechanismus« (ESM) unter bestimmten Auflagen freigemacht. Einen Teil des Verfahrens haben die Richter abgetrennt und im Januar diesen Jahres dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgelegt. Dabei geht es darum, ob die Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihrem umstrittenen Programm zum Kauf von Staatsanleihen innerhalb ihrer Kompetenzen geblieben ist. Diese Fragen sind weiterhin offen und müssen zunächst vom EuGH geklärt werden.
Das Urteil vom Dienstag betrifft die Errichtung des ESM, den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin sowie verschiedene Begleitmaßnahmen. »Das Ergebnis ist eindeutig: Die Verfassungsbeschwerden sind teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet«, sagte Voßkuhle. In Karlsruhe geklagt hatten unter anderen die Bundestagsfraktion der Linken, der Verein »Mehr Demokratie« mit mehr als 37 000 Bürgern sowie der stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler.
Zuvor hatte der Geschäftsführer des Vereins Mehr Demokratie, Roman Huber, noch zuversichtlich nach Karlsruhe geblickt. Zwar werde das Gericht »mit relativ großer Sicherheit« die ESM-Verträge nicht für verfassungswidrig erklären, sagte er im Vorfeld dieser Zeitung. »Doch es wird vermutlich dem Bundestag weitere Rechte einräumen. Das ist auch das, was wir hoffen.« Sein Verein hat gegen den 700 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm geklagt, weil er Huber zufolge eine Organisation ist, »die nicht auf den europäischen Verträgen fußt und weder demokratisch legitimiert noch kontrolliert werden kann«. Huber kritisierte zudem, dass die Bürger Europas bei der Eurorettung zu wenig gehört wurden. Auch fordert er die Schaffung eines Konvents zur Änderung der europäischen Verträge. »Die Ergebnisse eines Konvents müssten in allen Mitgliedsstaaten angenommen werden, entweder durch die Parlamente oder in Volksentscheiden. Dann hätten wir eine tragfähige Grundlage, wie wir in Europa weiter zusammenleben wollen.«
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hoffte vor dem Urteil, dass das Bundesverfassungsgericht die Mitbestimmungsrechte des Bundestages stärken wird. »Karlsruhe kann das Königsrecht des Bundestags stärken. Das ist meine Hoffnung«, sagte Riexinger »Handelsblatt Online«. Es wäre gut, »wenn das Verfassungsgericht die Regel aufstellen würde, dass über alles, was den Bundeshaushalt betrifft, zwingend der Bundestag abstimmen muss«, so der Linkenpolitiker. »Unsere Klage war richtig«, sagte Riexinger. »Die Euro-Rettung darf kein Demokratieabbauprogramm sein. Wir müssen beim Euro mehr Demokratie wagen«, betonte er und fügte hinzu: »Ich bleibe dabei, der ESM hebelt zentrale Haushaltsrechte des Bundestags aus.« Agenturen/nd
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