Ganz der Alte
Radstar Alberto Contador fährt so überlegen wie früher - begleitet von den alten Zweifeln
»Ich - wiedergeboren? Nein, ich war ja niemals tot!« So reagierte Alberto Contador beim Tirreno-Adriatico auf Fragen jener Journalisten, die sich ob seiner starken Leistung schwer erstaunt zeigten. Rein sachlich hat der Spanier recht. Auch in der vergangenen Saison war er lebendig, was etwa ein vierter Platz bei der Tour de France beweist. Doch schien er den alten Biss verloren zu haben und musste nicht nur die Überlegenheit des Briten Chris Froome, sondern auch die von Nairo Quintana anerkennen.
Beim am Dienstag zu Ende gegangenen Rennen in Italien indes stellte Contador zumindest gegenüber dem Kolumbianer die alten Kräfteverhältnisse wieder her. Auf der 4. Etappe bezwang er in Cittareale den quirligen Quintana im Bergsprint. »Ach, das war doch gar kein heftiger Anstieg. Alberto kann noch mehr«, verkündete sein Teamchef Bjarne Riis mit einer Mischung aus Bescheidenheit und unbändigem Stolz darauf gegenüber »nd«.
Die fünfte Etappe zeigte, wie recht Riis hatte. Sein Schützling ließ es nicht einmal auf einen Showdown an der 30-prozentigen Steigung der sogenannten »Mauer von Guardiagrele« ankommen. Bereits 30 Kilometer vor dem Ziel setzte er sich von Quintana & Co. ab. Er sammelte alle Ausreißer des Tages ein. Und als sich der Stärkste unter ihnen, der Berliner Simon Geschke, auf dem letzten Kilometer noch an seine Fersen heftete, machte er auch mit diesem kurzen Prozess. »Ich hatte gehofft, dass Contador mir den Tagessieg lässt. Er hatte ja schon am Tag zuvor gewonnen und sich die Gesamtführung geholt«, erzählte Geschke etwas enttäuscht, denn er war am wohl besten Tag seiner Karriere auf einen Kontrahenten gestoßen, der keine Gnade kannte. Contador ist nach einer für seine Verhältnisse katastrophalen Saison wieder als der erbarmungslose Rennfahrer zurückgekehrt, der jeden Erfolg einsammelt, der sich ihm bietet.
Auch seine Begleiter im Tinkoff-Saxo-Rennstall mussten zugeben, dass Contador, wenn schon nicht wiedergeboren, so doch im Vergleich zu 2013 nicht wiederzuerkennen und nahe der Leistungsfähigkeit vor seiner Dopingsperre ist. Zwischen Juli 2007 und Mai 2011 hatte der Spanier jede große Rundfahrt gewonnen, bei der er angetreten war - und die meisten kleinen auf dem Wege dahin dominiert. »Der Tirreno fehlte mir noch«, erklärte er nun.
Riis führt Contadors Frühform auf ungestörtes Training auf den Kanaren und einen späteren Saisoneinstieg als im Vorjahr zurück. Contador hat tatsächlich die strapaziösen Reisen nach Argentinien und auf die arabische Halbinsel ausgelassen, sammelte lieber auf Gran Canaria und Teneriffa Höhenmeter. Er hat nach eigenen Worten auch sein Gewicht reduziert - mittels neuer Esstechnik! »Ich habe die ganze Zeit den Mund verschlossen gehalten«, erklärt er sie.
Weder die noch junge Antidopingeinheit der UCI noch die neu aufgestellte spanische Antidopingbehörde AEPSAD - unter dem einstigen »Operacion Puerto«-Ermittler Enrique Gómez Bastida - hielten es jedoch für nötig, bei diesem wochenlangen Aufbauprogramm Kontrollen vorzunehmen. Das war in den für die Sommerform so wichtigen Wintermonaten auf den Inseln noch nie üblich und wird offenbar auch nicht geändert. Anfragen des »nd« über Kontrollen auf Gran Canaria und Teneriffa an UCI und AEPSAD blieben jedenfalls unbeantwortet. Eine gründlichere Tätigkeit der Kontrollorganisationen hätten die Rückverwandlung Contadors mit etwas mehr Glaubwürdigkeit versehen können. Jetzt ist er ganz der Alte: mit dem früheren Leistungsvermögen und all den früheren Zweifeln daran.
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