Visionen für die Mitte gesucht
Die Senatsbaudirektorin startet eine Dialogprozess, aber schon der ist umstritten
Für die Gestaltung der historischen Mitte Berlins zwischen Fernsehturm, Rotem Rathaus und Humboldtforum will Senatsbaudirektorin Regula Lüscher einen »Beteiligungs- und Dialogprozess« starten. Auf dessen Grundlage soll im nächsten Jahr ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt werden. »Um ihn vorzubereiten, möchte ich mit allen wichtigen gesellschaftlichen Akteuren und den Bürgern einen Dialog führen«, erklärte Lüscher. »An diesem Ort sollte keiner allein entscheiden, sondern die Stadtgesellschaft gemeinsam.«
Dazu soll sich am 3. April ein Kuratorium konstituieren, in dem neben dem Bezirksamt Mitte und der Senatskanzlei auch Stiftungen und Initiativen von Fachleuten mitwirken können. Auf öffentlichen Veranstaltungen und im Internet sollen die Ansprüche der Anwohner und Institutionen an diesen Ort diskutiert und thematische Vorschläge für die Gestaltung des Areals gemacht werden.
Drei Optionen stehen zur Debatte: kleinteilige Bebauung des Areals auf historischem Stadtgrundriss; Freihaltung in Respekt des Städtebaus der DDR-Moderne; Teilbebauung unter Einbeziehung historischer Spuren und Qualifizierung des öffentlichen Freiraums. Dazu sollen durch Architektenteams Varianten erarbeitet und zur Diskussion gestellt werden. Letztlich sollen die Vorschläge vom Abgeordnetenhaus beraten werden und daraus die Aufgabenstellung für den Wettbewerb abgeleitet werden.
Doch bereits über dieses Vorgehen gibt es Dissens: Die Stiftung Zukunft Berlin, die Hermann-Henselmann-Stiftung sowie die Planungsgruppe Stadtkern im Bürgerforum Berlin, die von Lüscher ebenfalls zur Mitarbeit im Kuratorium eingeladen wurden, wollen mit der Politik auf »Augenhöhe« diskutieren. »Frau Lüscher will sich vom Kuratorium nur begleiten lassen, das reicht nicht«, sagt Stefan Richter von der Stiftung Zukunft Berlin. Schon im Januar habe man ihr die Einberufung eines Forums Berliner Mitte vorgeschlagen, in dem Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam eine Aufgabenstellung für den künftigen Wettbewerb erarbeiten. Darauf sei sie mit dem Kuratoriumsvorschlag nur »ein bisschen« eingegangen, so die drei Einrichtungen.
Nach den Vorstellungen des Zweckbündnisses soll sich die Stadtgesellschaft selbst organisieren und nicht auf »Einladung« der Politik. Gewährsleute der verschiedenen Interessenvertretungen aus Kiez und Gesamtstadt sollen 25 Vertreter für das Bürgerforum benennen, die dann mit eben so vielen aus Politik und Verwaltung den Wettbewerb vorbereiten. »Das ist eine neue Qualität des Dialogs«, sagt Richter. »Wir brauchen dafür die besten Leute aus allen Bereichen.«
Ein Ergebnis soll schon nach vier öffentlichen Foren feststehen. Das erste soll der Bestandaufnahme dienen, das zweite die Rolle der Mitte für die Zukunft Berlins erörtern, das dritte klären, welche Ansprüche der Raum erfüllen muss und das vierte die Grundsätze des Wettbewerbsverfahrens festlegen. Wobei es nach Auffassung der drei Organisationen nicht wie vom Senat gewünscht ein städtebaulicher Wettbewerb sein muss. Auch das Gebiet, über das diskutiert werden soll, fassen sie größer: Vom Spittel- über Molkenmarkt bis zum Alex, »wo ständig Einzelentscheidungen ohne Gesamtkonzept getroffen werden, die aber wie Vorentscheidungen wirken«.
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