Annen: Rot-Rot-Grün noch nicht verloren
SPD-Außenpolitiker pocht aber auf »Bündnisverpflichtungen« / Bundestagsvize Pau kritisiert »Krieg« zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei
Berlin. Trotz des zum Teil heftigen Streits zwischen Vertretern von SPD, Grünen und Linkspartei und der gegenseitigen Kritik an der jeweiligen Position in der Krim-Krise gibt der linke Sozialdemokrat Niels Annen die Möglichkeit eines rot-rot-grünen Bündnis nach der nächsten Bundestagswahl noch nicht auf. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sagte der »Stuttgarter Zeitung«, er bedauert zwar »die zum Teil grotesken Äußerungen meiner Kollegen der Linkspartei, aber das bringt mich nicht aus der Ruhe«. Es sei klar gewesen, dass die Außenpolitik »das schwierigste Thema ist, dass wir zu bewältigen haben, wenn wir irgendwann eine solche Machtoption erschließen wollen«. Es werde, so Annen, »keinen sozialdemokratischen Kanzler geben, der in Kauf nimmt, dass Bündnisverpflichtungen in Frage gestellt werden«.
Annen sagte, er betrachte vor diesem Hintergrund die scharfen Attacken der Linken im Ukraine-Konflikt als »Teil einer Machtauseinandersetzung innerhalb der Linkspartei, die entschieden werden muss«. Die »Hardliner« würden darauf setzen, »dass mit einem derart absurden Kurs eine Regierungsbeteiligung verhindert« werden könne. Dieser Konflikt hätte deshalb innerhalb der Linken ohnehin irgendwann entschieden werden müssen, sagt Annen: »Mich ermutigt, dass es hinter dem Gebrüll auch vernünftige Äußerungen gibt«, so der SPD-Politiker gegenüber dem Blatt.
Zuvor hatte Bundestagsvize Petra Pau in eindringlichen Worten den »Krieg zwischen Grünen, Linken und auch der SPD« kritisiert. »Jegliche Vernunft hat Schwindsucht. Kleinkarierte Parteipolitik jubiliert. Verstärkt von Medien, die Schwachsinn suchen und feiern.« Zwar hätten unter anderem die Debatten im Bundestag die Differenzen zwischen den Fraktionen offenbart, so Pau. Dies sei auch normal. Inzwischen aber hätten »Hasardeure Freigang«. Pau weiter: »Grüne diffamieren die LINKE als Kriegstreiber. Linke brandmarken die Grünen als Pseudo-Faschisten. Und Sozialdemokraten laden Gregor Gysi als persona non grata aus einer vereinbarten Gesprächsrunde aus.« Die Schlammschlacht zwischen den drei Parteien nannte die Linken-Politikerin »unsäglich«. Es gelte noch immer, so Pau: »Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.«
Die Vorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexiger, haben derweil in einem Gespräch mit der »Frankfurter Allgemeinen« erklärt, die tiefen Gräben zwischen Linkspartei und Grünen in der Krim-Frage seien nicht das Ende von Rot-Rot-Grün. Dafür sei »der Wille zum Politikwechsel und für ein Reformprojekt« entscheidend, sagte Riexinger. Kipping sagte: »Wir sind nicht glücklich, dass sich die Opposition gegenseitig so sehr angreift.« Trotz der Diskussion um die Ukraine habe die »Politik der Einladung« gegenüber SPD und Grünen, wie es Kipping formuliert, funktioniert. »Heute besitzen wir mehr strategische Optionen als vor zwei Jahren«, so die Linken-Vorsitzende.
Derweil werden auch weiter gemeinsame Gespräche geplant und Perspektiven kritisch bearbeitet. Beim Kongress der linken Grünen im April in Berlin macht sich der Parteiflügel auf die Suche nach »BündnispartnerInnen in Bund, Ländern und Europa für eine sozial-ökologische Reformpolitik«. Bei dem Kongress sollen auch Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter und die Linken-Vorsitzende Katja Kipping über die Frage »Rot-Rot-Grün – Zwischen Hirngespinst und realen Möglichkeiten« diskutierten. Ende Mai treffen sich dann die linken Sozialdemokraten der DL21 zu einer Tagung. Dann soll »vor dem Hintergrund gegenwärtiger und zukünftig möglicher Koalitionen« über »mittel- als auch langfristige Perspektiven der (linken-)Sozialdemokratie« debattiert werden. Bei der Tagung in Kassel geht es dann auch um »Mehrheiten für eine linke Politik«. nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!