Schläger, Mutter, Kind
Im Kino: »Die Frau des Polizisten« von Philip Gröning
Eine ganz normale Kleinfamilie: Vater, Mutter, Kind, drei blonde Schöpfe auf dem Weg zum Ostereiersuchen im Wald. Ein hübsches Häuschen in einer westdeutschen Kleinstadt, warm, wenn auch konventionell eingerichtet - ein Backsteinbau unter vielen in einer pingelig reinen Pflastergasse. Couch-Garnitur und Fernseher sind die zentralen Möbel im Wohnzimmer. Eine durchschnittliche Kleinfamilie also - nur dass der Vater plötzlich schlägt. Liegt es daran, dass er von der Polizeiarbeit überfordert ist? Dass er ein Reh erschießen musste, das angefahren worden war? Dass es zu seinen Aufgaben gehört, Verkehrsunfälle zu dokumentieren, ohne die blutigen Details auszulassen? Dass er Zaungast bleibt bei der innigen Beziehung von Mutter und Kind? Gibt es sonst einen Grund? Gibt es je einen Grund? Irgendwas, das häusliche Gewalt irgendwie entschuldigen könnte?
Filmemacher Philip Gröning, vor zehn Jahren für seinen Dokumentarfilm »Die große Stille« über den schweigsamen, arbeitsreichen Alltag in einem Kartäuserkloster mit Preisen überhäuft, erhielt für diesen Spielfilm zum Thema häusliche Gewalt letztes Jahr in Venedig den Spezialpreis der Jury. »Die Frau des Polizisten« ist ein sperriger Film, eingeteilt in eine Vielzahl fein säuberlich nummerierter Kapitel, mit Schwarzfilm an Beginn und Ende. So ein Kapitel kann eine halbe Minute dauern oder eine gefühlte halbe Ewigkeit. Die Kamera bleibt oft starr, schaut dann wieder ganz aus der Nähe auf Haut und Haare der drei und manchmal wie richtend von oben herab auf die Menschen, was das Gefühl verstärkt, hier einer Erzählung beizuwohnen, die unausweichlich ist: räumlich, zeitlich, inhaltlich ohne Ausweg.
Bis es wie aus dem Nichts zur ersten, abrupten Überreaktion des Vaters kommt, vergeht eine halbe Stunde. Und auch danach gibt es noch Sex in dieser Ehe, eine (anfangs noch) wohlgeordnete Wohnung, einen kindgerechten Alltag für die Tochter. Mit Graben nach Würmchen im Wald und Blumensäen im Garten, mit Geburtstagsständchen und Nachbarschaftsflohmarkt. Auch der Vater, der Schläger, funktioniert erst einmal weiter im Dienst. Warum seine Frau ihn weder anzeigt noch verlässt, bleibt offen. Zu brav der Kontext, zu groß die Scham, öffentlich einzugestehen, dass es gerade sie traf in dieser scheinbaren Idylle? Nach der Hälfte des fast drei Stunden langen Films sind die blauen Flecken an ihren Armen nicht mehr zu übersehen. Tagsüber zieht sie einen Ärmel drüber. Nach zwei Stunden ist dann auch das Auge blau.
Das Kind bekommt die Atmosphäre mit, den zornigen Unterton, das hektische Verschließen von Türen und ihr gewaltsames Öffnen - das Recht, das sich der Stärkere nimmt, andere zu misshandeln, weil sie schwächer sind als er. Die Mutter beruhigt und findet Erklärungen für die plötzlich furchterregende Hierarchie der Tiere auf dem Pyjama der Tochter: »Der Bär ist gar nicht böse, nur weil er stark ist, der ist nur stark, weil er ein schweres Fell tragen muss.« Ein Vater also, der eine schwierige Arbeit macht, emotional auf verdorrtem Boden steht und um sich schlägt, während die geschlagene Mutter den Alltag ihrer Tochter mit Liebe und Leben füllt. Eine archaische Rolleneinteilung, über die ein anderer Film, Jan Bonnys »Gegenüber«, schon mal hinausging, indem es dort die Frau des Polizisten war, die den Polizisten schlug. Und der aber auch keinen Weg fand, sich der Falle zu entziehen. So wie die geschundene Mutter, die beim Baden mit Kind irgendwann so klein ist, so klitzeklein, dass sie tatsächlich quer in die Wanne passt.
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