Warnsignale aus Fernost
Chinas Wirtschaft gerät ins Straucheln
Anfang März gab es in China eine Premiere: Erstmals wurde eine Anleihe nicht bedient. Wo in der Vergangenheit bei Zahlungsschwierigkeiten von Privatunternehmen der Staat einsprang, setzten die chinesischen Behörden im Fall des Solarzellenherstellers Chaori Solar eine neue Anweisung der Zentralregierung um, wonach Zahlungsausfälle nur noch dann übernommen werden sollen, wenn die betroffenen Unternehmen »systemrelevant« sind.
Zwar handelt es sich bei der jetzt ausgefallenen Anleihenrückzahlung durch Chaori Solar mit rund 9 Millionen Euro um ein vergleichsweise geringes Volumen. Aber der Solarzellenkonzern ist nicht das einzige Unternehmen, das Chinas Finanzmärkte beunruhigt. Acht von zehn chinesischen Unternehmen mussten 2013 Zahlungsverzögerungen hinnehmen, stellte der Kreditversicherer Coface in einer am Dienstag veröffentlichten Studie fest. Damit ist die Zahlungsmoral in China auf dem niedrigsten Stand seit 2010.
Auch die Probleme im Immobiliensektor der Volksrepublik lassen sich nicht mehr leugnen. Die über Jahre immer stärker gestiegenen Preise dort ließen das Risikobewusstsein insbesondere bei Chinas Schattenbanken sinken, so dass heute viele Unternehmen exorbitante Verschuldungsraten aufweisen. Seit Ende 2013 ist aber zu beobachten, dass die Immobilienpreise erstmals seit Jahren langsamer steigen, was als Warnzeichen für einen sich abkühlenden Immobilienmarkt durchaus ernst zu nehmen ist.
Anfang vergangener Woche berichtete die Nachrichtenagentur Reuters von Zahlungsschwierigkeiten eines großen Immobilienunternehmens mit Sitz in der Küstenstadt Ningbo, das bei Banken und Privatpersonen Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 407 Millionen Euro angehäuft hat. Da sich die Firmenleitung auch im verbotenen chinesischen Schattenbankensektor bedient hatte, wurden der Firmenchef und sein Sohn verhaftet.
Die aktuellen Schwierigkeiten in China sind dabei nur Symptome eines tiefer liegenden Problems. Im Grunde ist das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft spätestens seit der weltweiten Finanzkrise nicht nachhaltig und zu einem großen Teil kreditgetrieben. Als Reaktion auf den Einbruch der Wirtschaftsleistung weitete die Zentralregierung 2009 die Kreditvergabe aus. Das hatte Folgen. So stieg der Anteil der Gesamtverschuldung am jährlichen Bruttoinlandsprodukt in China von 155 Prozent im Jahr 2008 auf über 240 Prozent Ende 2013, die Bilanzsummen der chinesischen Banken stiegen insgesamt um gigantische 15 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Der US-amerikanische Bankensektor erweiterte seine Bilanzen im gleichen Zeitraum »nur« um zwei Billionen Dollar. Hinzu kommt, dass die Geldmengen, die über das Schattenbankensystem in die Wirtschaft fließen, ebenfalls weiter wachsen. Der Anteil dieses sogenannten grauen Marktes an der Finanzierung von Chinas Wirtschaft wird auf bis zu 25 Prozent geschätzt.
Das Kreditvolumen in China wächst deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung, was ein zuverlässiges Alarmsignal ist, denn dauerhaft führt dies zu wachsenden Zahlungsschwierigkeiten innerhalb einer Volkswirtschaft. Es war der Ökonom Hyman Minsky, der zeigte, wie eine solche Entwicklung zu einer schweren Krise führt. Nach ihm ist auch der »Minsky-Moment« benannt: der Zeitpunkt, an dem die Kreditgeber vorsichtig werden, die Kreditvergabe eingeschränkt und damit eine Krisendynamik ausgelöst wird, die kaum noch zu stoppen ist. Seit den Zahlungsausfällen der letzten Wochen wird in den einschlägigen Foren der Finanzindustrie eifrig darüber spekuliert, ob der chinesische »Minsky-Moment« bereits gekommen sei.
In den fernöstlichen Chefetagen ist man auf jeden Fall seit längerem schon eher pessimistisch. Der Einkaufsmanagerindex der britischen Großbank HSBC sackte im März auf 48,1 Zähler ab und sank damit zum fünften Mal in Folge. Unterhalb eines Werts von 50 gehen Chinas Manager von einer schrumpfenden Industrie aus.
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