Kapitaler Fortschritt

Mit dem TTIP soll die nächste Stufe der Profiteskalation gezündet werden

  • Wolfgang Storz
  • Lesedauer: 3 Min.

Ich handle frei, wir ..., EU und USA handeln frei – verführerisch kommt das um die Ecke. TTIP im Sonderangebot – greifen Sie zu, marktschreien Angela Merkel, Barack Obama, Francois Hollande und Sigmar Gabriel. Meinen die das ernst? Die testen doch nur: unsere Dummheit, unsere Duldsamkeit. Oder? Jetzt soll mit dem Freihandelsabkommen TTIP auch noch der Profit auf Steuerzahler-Garantie eingeführt werden; während unser Grundwert des sozialpflichtigen Eigentum endgelagert im Museum für verstaubte Ideale vergammelt.

Ein kurzer Blick zurück auf die erste Eskalationsstufe der Profitmaximierung zeigt, wie unverfroren das neuerliche Ansinnen ist. Noch vor zwei, drei Jahrzehnten haben Unternehmen ein Gut oder eine Dienstleistung produziert und verkauft. Und mit diesem Geschäft machte das Unternehmen seinen Gewinn, mal mehr und mal weniger. Vor ein, zwei Jahrzehnten drehten die Unternehmen den Spieß um: Sie legten vorab ihren Gewinn fest; wir erinnern uns an Josef Ackermann, Deutsche Bank, mit seinen 20 Prozent Mindest-Rendite auf das Eigenkapital. Alles wird diesem Ziel untergeordnet: die Löhne, die Produktqualität, die Arbeitszeiten, ..., zur Verfügungsmasse degradiert. Wie könnten die Kapitaleigner das durchsetzen?

Das Elend begann Ende der 1980er Jahre mit der »Einheitlichen Europäischen Akte«: Damals wurde die Reisefreiheit eingeführt, toll. Aber auch das Kapital braucht seither keinen Pass mehr: Kapitalverkehrskontrollen wurden abgeschafft, das Kapital kann sich seither frei bewegen. Die Folge, da die EU-Staaten weder Mindestlöhne noch Mindeststeuern festlegten: Die Staaten unterbieten einander, laufen den Kapitaleignern in unwürdigster Haltung hinterher, bitte, bitte, wir senken die Steuer, darf’s noch eine Subvention sein. Denn diese sagen, wir gehen in das Land, das uns die besten Bedingungen bietet, also die niedrigsten Löhne und Steuern – ob sie dies tun oder nur androhen, das ist zweitrangig. Das Ergebnis: Zwischen 1980 und 2011 sanken in den EU-Mitgliedsstaaten die Unternehmenssteuern von durchschnittlich 44 auf 27 Prozent.

Das reicht noch nicht. Deshalb soll mit dem TTIP die nächste Stufe der Profiteskalation gezündet werden: Wenn der vorab festgelegte Gewinn aufgrund von politischen Entscheidungen in Gefahr gerät, dann sollen Bürger und Steuerzahler via Entschädigung die fehlende Differenz aufbringen. Wir haben es hier also mit einer Art Profit-Extremismus zu tun. Während sich bei uns demokratische Bürger abstrampeln, um ein bisschen Mindestlohn durchzusetzen, steuern die internationalen Konzerne gleich das Paradies an: der bürgergarantierte Höchstprofit. Als Vorspiel kennen wir die sogenannte Investoren-Schutzklausel. Klingt harmlos, ist jedoch auch eine finanzielle Zeitbombe. Der schwedische Konzern Vattenfall klagt gegen die Bundesrepublik, weil aufgrund der Energiewende die AKW`’s in Krümmel und Brunsbüttel vorzeitig abgeschaltet wurden. Schadenersatzforderung: 3,7 Milliarden Euro. In Nordamerika sind Klagen von Konzernen gegen die Errichtung von Naturschutzgebieten und ein Frackingverbot anhängig. Phillip Morris verklagt Australien wegen der Gesundheitswarnung auf Zigarettenschachteln.

Entwickelt wurde dieser Schutz, um Unternehmen bei ihren Geschäften mit Diktaturen und Failed States zu schützen. Nun soll dieses Prinzip auf Rechtsstaaten übertragen werden. Das zeigt doch mehr als viele Worte, was diese Manager und Kapitaleigner in Demokratien sehen: potenziell profitschädliche Störenfriede.

Was wäre, wenn eine rot-rot-grüne Bundesregierung Mindestlohn und Kapitalertragssteuer erhöhte, die Mitbestimmung ausbaute ... Da würde es Klagen hageln: Wir wollen Entschädigung, denn das alles schmälert unseren Gewinn. Das ist – kein Scherz. Und unsere Regierenden sagen nicht einfach, Ihr habt nicht alle Tassen im Schrank, nein, die verhandeln auch noch ernsthaft darüber.

Zu dieser seit vielen Jahren widerlegten Freihandelsideologie hat die Partei das Entscheidende gesagt, deren Plakate immer viel besser als ihre Wahlergebnisse waren: »Märkte brauchen Regeln, Menschen brauchen Freiheit«, texteten die Piraten.

Sigmar Gabriel textet dagegen »Weiter so«: »Ein transatlantisches Freihandelsabkommen bietet große Chancen ... .«

Wolfgang Storz war bis 2006 Chefredakteur der »Frankfurter Rundschau« und arbeitet seither als Berater und Publizist.

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