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Kerrys Nahostfahrplan funktioniert nicht

US-Außenminister versucht nur noch, Israelis und Palästinenser auf neuen Zeitplan festzulegen

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.
Israels Regierung stellt die Freilassung weiterer palästinensischer Häftlinge in Frage. US-Außenminister John Kerry versucht nun, die Friedensverhandlungen zu retten.

Der Streitpunkt: Spätestens in der Nacht zum Sonntag sollte die vierte und letzte Stufe der Freilassung von insgesamt 104 palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen starten. 78 Häftlinge, allesamt Gefangene, die bereits seit mindestens den 90er Jahren größtenteils wegen Gewalttaten einsaßen, wurden bereits in den drei vorangegangenen Phasen frei gelassen, so wie es im Sommer vergangenen Jahres auf US-amerikanische Vermittlung vereinbart worden war, um die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurück zu locken.

Doch nun stellt ein Großteil der israelischen Kabinettsmitglieder diese Vereinbarung in Frage, und das, obwohl US-Außenminister John Kerry zur Zeit massiven Druck ausübt, um beide Seiten am Verhandlungstisch zu halten. Mitte der Woche traf er sich mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Amman; täglich telefoniert er mit Israels Premier Benjamin Netanjahu. Die Gespräche seien »konstruktiv«, erklärt seine Sprecherin Jen Psaki stets danach; Ergebnisse gebe es aber nicht.

Die Probleme: Die palästinensische Führung weigert sich bislang, die Verhandlungen über den 29. April, jenen damals zusammen mit dem Gefangenenabkommen vereinbarten zeitlichen Endpunkt, hinaus auszudehnen, ohne dass zuvor ein Rahmenabkommen für die Staatsgründung, und damit das Ende der Besatzung geschlossen wurde. Ein Entwurf dafür wurde vom US-Außenministerium in den vergangenen Monaten ausgearbeitet, was allerdings wiederum zur Kritik an den Kritikpunkten der jeweils anderen Seite geführt hat. Mittlerweile hat Kerry den Fahrplan deshalb ausgedünnt: Zur Diskussion steht seit seinem Gespräch mit Abbas nur noch eine Rahmenvereinbarung über die Fortsetzung der Verhandlungen.

Ein sehr viel größeres Problem ist allerdings die Weigerung der Palästinenser, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Die Palästinenser sehen in dieser - auch von den USA kritisierten - Forderung eine Verleugnung ihrer eigenen Geschichte. Sie wollen, dass für das Rückkehrrecht der im Unabhängigkeitskrieg Israels geflüchteten arabischen Einwohner eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.

Aus israelischer Sicht sind beides Forderungen, von denen man derzeit nicht abrücken kann: Jede der drei vorangegangenen Gefangenenfreilassungen war von heftiger Kritik von Angehörigen von Anschlagsopfern, aber auch den rechten Koalitionspartnern begleitet worden. Hinzu kommt, dass sich Netanjahu demnächst dem Parteitag seines Likud-Blocks stellen muss, wo sein Führungsanspruch mittlerweile stark umstritten ist. Ursprünglich hatte das am Montag passieren sollen; nur mit Mühe schafften es seine Vertrauten, die Versammlung um einen Monat zu verschieben - ein Aufschub, den man im Vorstand auch als Frist verstanden wissen will

»Über die Verlängerung der Verhandlungen können wir durchaus reden«, sagt Hassan Khraischeh, Vizesprecher des palästinensischen Parlaments, und Vertrauter von Präsident Mahmud Abbas: »Aber es muss klar sein, dass wir dafür die Gefangenen zurück haben müssen; wir müssen der Öffentlichkeit etwas vorzeigen können.«

Der wirkliche Knackpunkt sei die Anerkennung Israels als jüdischer Staat - eine Thematik, die auch immer wieder von Mitarbeitern des Präsidialamtes als Hauptproblematik angeführt wird: »Wir würden damit zustimmen, dass die in Israel lebenden Palästinenser Bürger zweiter Klasse sind.«

Ein Punkt, den Israels Regierung allerdings weit von sich weist: Alle Bürger genössen die gleichen Rechte nach dem Gesetz, sagt ein Sprecher von Regierungschef Benjamin Netanjahu. Wenn man allerdings Verfechter dieser Forderung wie Handelsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei »Das jüdische Haus« danach fragt, wie das Konzept »jüdischer Staat« in der Praxis aussehen soll, erntet man in der Regel Schweigen.

Aus gutem Grund, ist sich Jossi Beilin, der in den 90er Jahren einer der Architekten der Osloer Verträge war, sicher. »Seit mehr als 100 Jahren streiten Säkulare und Religiöse darüber, wie viel Religion in Israel drin sein soll; der Charakter des Staates ist heute weniger klar als je zuvor.« So wird derzeit heftigst über den Wehrdienst für Ultraorthodoxe gestritten; in Tel Aviv dürfen demnächst erstmals Läden offiziell auch am jüdischen Ruhetag öffnen.

Die Forderung nach der Anerkennung des jüdischen Staates ist übrigens relativ neu: Sie tauchte erst nach der Wahl Netanjahus zum Regierungschef 2008 auf und dient nach Ansicht Beilins vor allem dazu, rechten Parteien die Regierungsbeteiligung schmackhaft zu machen, während mit den Palästinenser verhandelt wird.

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