Nein, aber!
Statt Ablehnung Enthaltung, meint Uwe Kalbe
Irgendwie erscheint immer wieder dieses Bild: der Anblick hunderter Passagiere, die an überfüllten Zügen in Indien oder Pakistan hängen. Die Menschen können wohl nicht anders, wenn sie ihr Ziel erreichen wollen, als diese Art der Fortbewegung zu wählen. Niemand würde auf solch einen Zug aufspringen, der es nicht unbedingt muss.
Nein, die LINKE springt nicht auf einen Zug auf, auch jene Abgeordneten nicht, die am Mittwoch der Entsendung einer Fregatte zur Begleitung syrischer C-Waffen auf deren letztem Weg zugestimmt haben. Sie suchen keinen Dreh, künftig allen Auslandseinsätzen zustimmen zu können, ohne ein Tabu zu brechen, weil es dann schon gebrochen ist.
Trotzdem werde ich dieses Bild der Züge nicht los, an denen Trauben von Menschen hängen. Es ist, als ob die im Bundestag einhellige Zustimmung zur C-Waffenzerstörung einen solchen Zug bildet. Keiner will zurückbleiben, egal, wie voll es schon ist. Sein Ziel ist vorbestimmt, Weichen gibt es auf der Strecke nicht. Am Ende wird die deutsche Beteiligung an einer Unternehmung stehen, die der Zerstörung von syrischen Massenvernichtungswaffen dient. Wer kann schon etwas dagegen haben? Auch die Abgeordneten tun das nicht, die sich einer Zustimmung durch Ablehnung oder Enthaltung verweigert haben. Doch die Gründe, die sie zweifeln ließen, sind durchaus nachvollziehbar.
All die Zweifel beiseite gelassen, die den militärischen Sinn der deutschen Mission in Frage stellen, gibt es vor allem ein Argument, das jeden Linken höchst nachdenklich stimmen muss. Das ist der Ausschluss Russlands von der Unternehmung. Als Antwort auf die ukrainischen Entwicklungen schickt sich die NATO an, alte Gräben auszuschippen, die Ausgrenzungslogik der bipolaren Welt zu reanimieren und eine Front gegen Moskau zu bilden. Einer solchen Entwicklung kann man sich nur verweigern - nicht wegen irgendeines Phantomschmerzes in Erinnerung an realsozialistische Zeiten, sondern aus Gründen der Vernunft. Friedenspolitischer Vernunft. Russland, vor kurzem noch anerkannte Schlüsselmacht in den Verhandlungen mit Syrien, wird nun zurück auf die Achse des Bösen verbannt. Moskau von der praktischen Umsetzung der diplomatisch erzielten Vereinbarungen auszuschließen, ist das erste unheilvolle Signal. Eine Front gegen Russland zu schmieden, das zweite. Die Beteiligung einer deutschen Fregatte, womöglich als Ersatz für russische Beteiligungsaufgaben, liegt irgendwo dazwischen. Als unschuldige friedenspolitische Geste kann sie vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht mehr missverstanden werden.
Für die LINKE wiederum hängt nichts von dieser Entscheidung ab. Außer, dass sie sich mit ihr in die Gefahr der Vereinnahmung durch die Schützengräbenarchitekten begibt. Warum also sollte sie sich an den Zug hängen, der mit um die 90 Prozent der Bundestagsabgeordneten bereits rappelvoll ist? Nur um zu beweisen, dass sie mit seinem Ziel einverstanden ist? Dass sie kein Risiko scheut, dieses vor aller Welt zu demonstrieren? Oder glaubt sie, bei den nächsten folgenden Fahrten den Kurs mitbestimmen zu können, dort draußen an der Tür hängend?
Eine geschlossene Enthaltung wäre in diesem Fall sicher der Königsweg für die Fraktion gewesen. Niemandem wäre vorzuwerfen, sich hehren friedenspolitischen Zielen zu verweigern. Und niemandem, die Risiken der konkreten Entscheidung leichtfertig hingenommen zu haben.
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