Gehen Maas' Pläne zu weit?
Gesetz gegen Kinderpornografie: Strafrechtler, Kriminologen und Psychiater warnen vor weiteren Verschärfungen des Strafrechts
Berlin. Kaum ein Thema ist so sensibel wie Kinderpornografie - das bekommt dieser Tage Justizminister Heiko Maas (SPD) zu spüren. Der Minister plant, das Strafrecht zu verschärfen, um Kinder besser zu schützen. Am Freitag hat er seinen Gesetzentwurf an seine Ministerkollegen weitergeleitet - und schon gibt es Gegenwind. 27 Strafrechtler, Kriminologen und Psychiater warnen in einer Stellungnahme an den Bundestag vor weiteren Verschärfungen des Strafrechts. Dagegen kündigte der Koalitionspartner CDU an, genau zu prüfen, ob die Vorschläge auch weit genug gehen.
Konkret geht es um Maas' Pläne zu »Posing«-Bildern. Die Debatte darum war im Zuge der Edathy-Affäre hochgekocht. Der SPD-Politiker Sebastian Edathy hatte im Internet Bilder von nackten Kindern gekauft. In Deutschland ist es verboten kinderpornografische Schriften anzufertigen, zu verbreiten oder zu beziehen. Edathy hatte gegen dieses Gesetz aber offenbar nicht verstoßen, denn auf den Bildern waren keine expliziten sexuellen Handlungen zu sehen. Maas will nun in den Paragrafen 184b des Strafgesetzbuchs schreiben, dass auch unbefugte Aufnahmen von nackten Kindern in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung strafbar sind.
Kaum war sein Entwurf bekanntgeworden, meldete sich der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Strobl: »Wir wollen, dass hier beispielsweise schon der Versuch strafbar ist«, sagte er am Samstag in der »Tagesschau«. Also noch härtere Gesetze? Dagegen wehren sich die 27 Wissenschaftler. Ihnen geht bereits Maas' Vorschlag zu weit. Einer der Unterzeichner des Aufrufs warnt vor Generalisierungen: Es sei kaum zu überprüfen, ob eine »Posing«-Aufnahme einem Kind geschadet habe oder nicht, sagte der Hamburger Kriminologie-Professor Sebastian Scheerer der Deutschen Presse-Agentur. »Das kann moralisch problematisch sein, das muss aber nicht wirklich das Kind verletzen oder traumatisieren.«
»Posing«-Bilder könnten außerdem ein Ventil für Pädophile sein. »Wenn Sie einfach Druck ausüben auf Menschen und ihnen keinen Ausweg geben, dann können unvorhergesehene Dinge passieren.« Mit härteren Gesetzen würden sich Pädophile noch seltener an Hilfseinrichtungen wenden. Hilfe bietet zum Beispiel das Netzwerk »Kein Täter werden«. Der Berliner Sexualmediziner Klaus Michael Beier leitet die präventive Einrichtung an der Charité. Obwohl er weiß, unter welchem Druck die Männer stehen, befürwortet er ein Verbot von »Posing«-Bildern. Sie stellten eindeutig einen Missbrauch dar, weil die Kinder für sexuelle Interessen Erwachsener benutzt würden, hatte er vor einigen Wochen im »Spiegel« erklärt.
In der Therapie sollen die Männer lernen, mit ihrer Vorliebe umzugehen, ohne einem Kind zu schaden. Umpolen kann man Pädophile nicht - da sind sich die meisten Experten einig. Etwa ein Prozent der Männer ist pädophil. Frauen sind extrem selten betroffen. Das bedeutet aber nicht, dass Sexualstraftaten an Kindern nur von Männern begangen würden. Etwa 60 Prozent der Täter sind Schätzungen zufolge nicht pädophil. Es handelt sich um Männer - und Frauen -, die zum Beispiel ihre Komplexe an Kindern ausleben wollen. Was Pädophile angeht: Sie müssen in der Therapie akzeptieren, dass sie ihre Sexualität nie ausleben können, dass sie sich disziplinieren müssen - selbst wenn sie nur masturbieren und dazu Bilder verwenden. Aufnahmen, bei denen ein Kind zu Schaden kam, sind tabu.
Doch was ist mit Bildern, bei denen kein Kind leiden musste, als sie aufgenommen wurden? Zum Beispiel Fotos vom Strandurlaub, die arglose Eltern auf Facebook posteten? Sicherlich sei es für die Betroffenen ein Schock, wenn sie feststellten, dass Fotos von ihnen jahrelang im Internet kursierten und als Masturbationsvorlage genutzt wurden, räumt Scheerer ein. Hier könne allerdings das Urheberrecht verhindern, dass das Foto verbreitet werde. Immer gleich nach dem Strafrecht zu rufen, führe zur Aufblähung des Gesetzes und setze einen Verfolgungsapparat in Gang. »Wir alle wären glücklich, wenn der Gesetzentwurf von Herrn Maas nicht durchkäme«, sagt er. »Es werden keine Kinder wirkungsvoll geschützt durch dieses neue Gesetz.« dpa/nd
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