Gabriel als Panzersperre

Keine »Leos« für Saudi-Arabien - wie mutig folgt der Vizekanzler dem Ratschlag von Helmut Schmidt?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel soll einen Panzer-Export nach Saudi-Arabien gestoppt haben. Die Union schäumt. Nicht nur wegen möglicherweise ausbleibender Euro-Milliarden für die Industrie.

Schon zu Zeiten, in denen Helmut Schmidt der alten Bundesrepublik als Kanzler diente, baggerten saudi-arabische Herrscher um deutsche »Leoparden«. Doch stets fand sich für die deutsche Seite ein gewichtiger Grund, den Rüstungsdeal nicht abzuschließen: Israel.

Nicht nur der begehrte Panzertyp wurde modifiziert, auch Israel gab - wohlkalkuliert - den Widerstand auf. Zudem hat man einen Weg gefunden, um die unter Rot-Grün im Jahr 2000 beschlossenen Rüstungsexportrichtlinien zu umgehen. Eigentlich stünden die gegen die Lieferung. Saudi-Arabien, der Despotenstaat, käme wegen der Menschenrechtslage und seiner Rolle bei der Niederschlagung von Unruhen in der Region als Waffenkunde deutscher Firmen nicht infrage. Wie passend, dass die von Krauss-Maffei-Wegmann und Rheinmetall produzierten Leopard-Panzer in Spanien in Lizenz vom Band rollen.

Das Geschäft mit dem modernsten Typ Leopard 2A7+ hat einen Umfang von rund 18 Milliarden Euro. Am 2. Juli 2011 - also in der schwarz-gelben Regierungsära - soll der deutsche Bundessicherheitsrat einem Export von bis zu 200 »Leos« bereits zugestimmt haben. Im März dieses Jahres hätten sich das saudische Verteidigungsministerium und die spanische Regierung zunächst einmal auf die Lieferung von 150 Panzern geeinigt, heißt es nun.

Doch dem stellt sich plötzlich der sozialdemokratische Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel in den Weg, berichtet »Bild am Sonntag«. Jüngst sah Gabriel keinen Grund, den Export von Patrouillenbooten für die saudische Kriegsmarine zu verbieten. Nun baut er sich als Panzersperre auf. Kann das sein?

Denkbar, denn der für die Exportfreigabe zuständige Minister muss ob der Spanien-Produktion keinen Protest der Gewerkschaften wegen ausbleibender Beschäftigung befürchten und kann dennoch versuchen, ein SPD-Wahlkampfversprechen einzulösen.

Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums teilte lediglich mit, dass die Bundesregierung grundsätzlich keine Auskünfte zu einzelnen Verfahrensstufen möglicher Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern gebe. Abgeordnete nach Details zu fragen, kann man sich sparen. Die sollen zwar das Handeln der Regierung kontrollieren, doch was im Bundessicherheitsrat beraten und entschieden wird, geht auch sie nichts an.

In dem Bundessicherheitsrat hat Wirtschaftsminister Gabriel eine Stimme. Auch andere Minister aus sogenannten Schlüsselressorts dürfen mitreden. Das geheime Machtwort steht der Kanzlerin zu. Gegen diese Geheimpolitik mehren sich Stimmen. Dazu gehört die von Altkanzler Helmut Schmidt. In einem Aufsatz, der im vergangenen Dezember in der »Zeit« erschien, erinnert er daran, dass Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur ist. Eine Entwicklung, die »mir sehr missfällt. Und die von der kommenden Koalition in Berlin gestoppt werden muss.«

Der Altkanzler macht geltend, zu seiner Regierungszeit seien im Bundessicherheitsrat militärisch-strategische Aspekte der Sicherheit erörtert und teilweise entschieden worden. Immerhin herrschte damals Kalter Krieg und Geheimhaltung war auf jeder Seite der europäischen Trennlinie politisches Alltagsgeschäft.

Warum aber noch immer Geheimniskrämerei? Weil es bei den Rüstungsdeals nicht nur ums Geldverdienen, sondern auch um strategische Fragen geht? Schmidt ahnt es, denn er schreibt: »Die Unlust der heutigen Deutschen, Soldaten in fremde Länder zu schicken, die kann ich allerdings sehr gut verstehen.« Doch er halte es »für abwegig, statt Soldaten Waffen zu schicken«.

Das sehen Merkel und ihre Strategen im Kanzleramt offenbar gänzlich anders. Sie setzen darauf, dass man durch die Schaffung guter politischer Beziehungen - und Rüstungslieferungen gehören ganz gewiss als Türöffner dazu - geopolitischen Einfluss erlangen kann.

Ob Gabriel gegen diese Strategie aufmuckt? Man darf trotz der Quasi-Ermunterung durch seinen Genossen Helmut Schmidt skeptisch sein.

Wie allumfassend über Rüstungsexporte strategische Abhängigkeiten entstehen und genutzt werden können, haben die USA und Saudi-Arabien demonstriert. Einmal abgesehen von einigen terroristischen »Ausrutschern« waren und sind die in jeder Weise bestechlichen saudischen Fürsten für Washington nicht nur Abnehmer verschiedenster extrem teurer Rüstungsgüter und damit Garanten für gigantische Profite der High-Tech-Industrie. Sie sind auch verlässliche politische Bündnispartner wider arabische Frühlingsblüten. Und sie finanzieren in Abstimmung mit Washington die übelsten politischen Prozesse - egal ob es um Afghanistan, Nicaragua oder Iran geht.

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