Haus der Gesundheit bleibt offen
Patienten an der Karl-Marx-Allee können einige Ärzte behalten
Der Protest der Patienten hatte Erfolg: Das Haus der Gesundheit an der Karl-Marx-Allee wird zumindest vorerst nicht geschlossen. Die 20 Arztstellen werden nicht komplett an eine neue Poliklinik am Unfallkrankenhaus in Marzahn (UKB) verlagert, teilte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Mittwoch mit. Fünf Praxen bleiben in der Einrichtung erhalten. «Das ist eine Lösung, die sowohl an der Gesundheit der Menschen in Mitte und in Marzahn-Hellersdorf orientiert ist», sagte Czaja.
Das Haus der Gesundheit versorgte bisher jährlich etwa 70 000 Patienten. Gegen die Verlagerung der Arztsitze nach Marzahn starteten sie massive Protestaktionen, über 6000 Unterschriften wurden gesammelt. Der Klinikkonzern Sana, der das Gesundheitszentrum bisher betrieben hat, gibt diesen Standort zum 1. Juli dieses Jahres auf und verkauft die Arztstellen an das UKB. Der nun ausgehandelte Kompromiss ist möglich, weil die Alexianer GmbH, die u.a. auch das St.-Hedwigs-Krankenhaus in Mitte betreibt, als neuer Träger für das Haus der Gesundheit einspringt. Unter ihrem Dach werden künftig drei Allgemeinmediziner und ein Urologe weiterarbeiten, auch die Gynäkologin bleibt, hat sich aber selbstständig gemacht. Auch einen Zahnarzt soll es weiter geben. Dagegen müssen sich die Patienten wohl bald u.a. nach einem neuen Augenarzt, Orthopäden oder Hautarzt umsehen, die zum ersten Oktober nach Marzahn wechseln. Dann soll dort die Poliklinik fertig sein.
«Wir wollten zum Erhalt des Hauses beitragen und besonders die Praxen erhalten, mit denen das Gebiet um den Alex ansonsten unterversorgt wäre,» betonte der Regionalgeschäftsführer der Alexianer GmbH, Alexander Grafe. Man wolle auch weitere neidergelassene Ärzte dort ansiedeln. Daran wären auch etliche interessiert, so aus der Leipziger und Friedrichstraße, bestätigte Uwe Kraffel, Vize-Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Sofern sie aus Mitte kämen, wäre ein Umzug auch möglich. Denn die Verlegung von Praxen darf ansonsten nur noch in schlechter versorgte Bezirke erfolgen. Der Umzug nach Marzahn war auch deshalb umstritten, weil ein Gutachten der Beuth-Hochschule nachgewiesen hatte, dass das Gebiet um das UKB bereits besser mit Allgemeinmedizinern, Urologen oder Internisten versorgt sei als das um das Haus der Gesundheit. Laut Czaja geht diese Studie an der Realität vorbei, weil sie den «bestmöglichen Standort am UKB mit dem schlechtmöglichsten am Haus der Gesundheit» vergleicht. Die Versorgungsplanung mache nur auf Bezirksebene Sinn. «Rein formal hätte das Haus der Gesundheit auch alle Arztstellen an das UKB abgeben können, und Marzahn wäre immer noch schlechter versorgt gewesen als Mitte», so der Senator.
Ob der jetzt gefundene Kompromiss lange haltbar ist, hängt wesentlich von der AOK ab. Der gehört das Haus der Gesundheit, das sie an Sana vermietet hatte. Jetzt wird an die Alexianer GmbH untervermietet, der Mietvertrag läuft noch bis Ende 2015. Bei Alexianer geht man davon aus, dass auch die AOK das Haus weiter als Gesundheitszentrum erhalten will. Im Sommer soll darüber eine Entscheidung fallen.
Für Sabine Müller, die jetzt im Haus der Gesundheit als Gynäkologin weiter praktizieren wird, ist das Ganze eine «Schmalspurlösung». «Wir hätten gern erreicht, dass noch weitere Kollegen bleiben können, aber dazu war die UKB nicht bereit. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Albers, hält den Kompromiss für »unbefriedigend und inkonsequent«. Denn wenn die behauptete Überversorgung an der Karl-Marx-Allee fortbestehe, »wird es aus Logik der Senatsargumentation dort künftig keine neue Niederlassung von Ärzten geben können«.
Eine Aufgabe des Hauses der Gesundheit wäre auch ein historischen Verlust. Denn es war das erste und einst auch größte Ambulatorium Berlins, das auch heute noch seine Funktion erfüllt. 1913 wurde es als Kaufhaus errichtet, bevor es 1923 von der AOK zum Ambulatorium umgebaut wurde. 1948 wurde es als erste Berliner Poliklinik wiedereröffnet. Nach der Wende erhielt es die AOK zurück, die es dann an Sana vermietete.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.