»Wenn der so damit rumfuchtelt ...«

Invidia ist die Sünde der Missgunst und die große Schwester der Gier. Oder? Ein Gespräch mit sieben Kindern

  • Lesedauer: 7 Min.
Weihnachtsgeschenke, bessere Noten, der ältere Bruder, der nicht mehr zur Schule muss, die Freundin, die um die Welt reist: Was ist Neid in Kindsköpfen? Was macht man, wenn man neidisch ist auf jemanden? Und schließlich: Kann die Invidia gefährlich werden? Die nd-Redakteurinnen Christin Odoj und Sarah Liebigt haben sich mit sieben Kindern unterhalten.

nd: Wisst ihr, was die sieben Todsünden sind?

Paul: Ich weiß jetzt nicht wie die einzelnen heißen. Sieben Sachen, die man nicht machen darf, weil die ansonsten angeblich dazu führen, dass man stirbt und dann kommt man nicht in den Himmel. Die stehen in so einem christlichen ... ist ja auch egal.

Tristan: Ich glaube, eins davon war, jemanden umzubringen, aber die andern sechs weiß ich nicht.

Todsünden sind so was wie Gier und Stolz. Eine davon ist der Neid. Was ist Neid?

Tristan: Wenn man eifersüchtig ist auf etwas anderes, das jemand anderes beispielsweise hat, das man selber nicht hat, was man aber unbedingt haben möchte, aber man nicht genug Geld hat, es sich selber zu kaufen.

Kunibert: Man spürt einfach, dass man das, was jemand hat, auch gerne haben würde.

Paula: Na, ich finde, dass ist das Gleiche wie Habgier, weil man irgendwas unbedingt auch will.

Friederike: Aber es ist auch was Positives, weil man ja zugibt, dass das andere schön ist.

Paul: Wenn jemand anderes etwas hat, das man auch gerne haben will.

Wie fühlt sich das für euch an, wenn jemand etwas besser kann als ihr oder ein tolleres Geschenk zu Weihnachten bekommen hat?

Lucie: Also mir ist es eigentlich egal, wenn alle in der Klasse von ihren Weihnachtsgeschenken erzählen. Ich freue mich über das, was ich bekommen habe. Aber es gibt welche in der Klasse, die andere ärgern, weil sie nur so wenig bekommen haben. Die denken dann, diejenigen wären arm.

Paula: Man ist dann schon erst mal ein bisschen wütend auf denjenigen, auch wenn man eigentlich gar keinen Grund dazu hat. Dann muss man sich immer einreden, dass man gar nicht wütend sein sollte.

Friederike: Ich finde das total schwierig. Wenn jemand zum Beispiel besser Klavier spielen kann als ich, dann hat der ja auch was dafür getan.

Paul: Ich kenn das nicht so.

Kunibert: Also wenn wir zum Beispiel irgendwo unterwegs sind und gerade nur noch Geld für ein Eis übrig ist, dann kann das eben nur einer essen. Zuhause gibt’s dann für die anderen von Mama was anderes Leckeres.

Paula: Ich freue mich auch über meine Geschenke. Also, wenn es was Schönes ist und dann bin ich auch nicht neidisch. Über einen abgekauten Strohhalm natürlich nicht.

Wann seid ihr denn so richtig neidisch auf andere?

Friederike: Bei mir ist das meisten so, wenn einer besser in der Klassenarbeit ist, dann überlege ich mir, was ich dafür gut kann. Aber früher zum Beispiel, war ich mal richtig neidisch auf Paula. Die hatte schon Hackenschuhe an und die durften wir anderen nicht haben.

Paula: Eigentlich ist man doch fast jeden Tag auf jemanden neidisch.

Friederike: Das sind ja meistens auch nur Kleinigkeiten.

Rosalie: Ich kannte mal ein Mädchen, das hatte eine Sonnenbrille und dann habe ich mir so eine ähnliche Brille auch gekauft. Dann hat sie mir verboten, die aufzusetzen und ich war neidisch, dass sie die aufhatte und ich nicht.

Lucie: Eine bei mir aus der Klasse fliegt bald nach Kalifornien, nach Florida oder so, da war ich neidisch.

Tristan: Wenn jemand beispielsweise irgendwas hat, was man haben möchte und der dann auch noch damit angibt und rumfuchtelt und sagt: »Guuuck mal, ich hab’ das und du hast es nicht!« Also so was kann ich überhaupt nicht leiden. Das macht mich neidisch. Oder wütend.

Tim: Ich bin neidisch, wenn ein anderer Lego hat, das ich haben will. Oder ’ne bessere Angel hat.

Was macht ihr dann?

Tristan: Versuchen, meine Wut abzulassen.

Friederike: Also ich bin dann immer wütend und traurig zugleich. Aber ich versuche, das zu überspielen. Dann geh’ ich in mein Zimmer und lenke mich ab.

Paula: Also wenn ich auf meine beste Freundin neidisch bin, dann versuche ich erst mal was mit jemand anderem zu machen, um wieder runterzukommen.

Wie ist das mit euren Geschwistern? Wie ist das, wenn man sich die Aufmerksamkeit der Eltern und alles mögliche mit den anderen teilen muss.

Friederike: Ich hab’ einen fünf Jahre älteren Bruder und der konnte jetzt schon aus der Schule raus und ich muss noch so lange weiter auf die Schule gehen. Aber da kommt es immer drauf an, wie der mir das vermittelt. Wenn er jetzt sagen würde: »Ha ha, du musst noch sechs Jahre in die Schule«, dann wäre ich natürlich neidischer, als wenn er sagen würde »dafür muss ich jetzt in die Arbeit«.

Kunibert: Meine beiden Brüder sind eigentlich nie zu Hause. Ich bin dann mit meinen zwei jüngeren Schwestern alleine mit Mama und wir machen alles zusammen, so dass wir uns selten irgendwas teilen müssen. Aber mein Bruder Willibald, der darf immer ganz lange aufbleiben abends, das ist natürlich nicht so toll.

Könnt ihr zugeben, wenn ihr auf jemanden neidisch seid?

Friederike: Gegenüber meinen Eltern kann ich das recht leicht zugeben. In der Schule fällt mir das schwerer.

Rosalie: Ja, vor den Freunden gibt man das natürlich nicht so gerne zu. Wenn ich beim Weitsprung nicht so weit komme wie die anderen, dann sag ich manchmal, damit die nicht denken, dass ich neidisch bin, dass ich ja auch so weit gekommen wäre, aber keine Lust mehr hatte oder so was.

Lucie: Also, wenn Freunde irgendwas besser können oder haben, dann sage ich das genaue Gegenteil. Ich sag dann nicht, dass ich das schöner finde und selber haben will, sondern das ich das gar nicht so interessant finde, was die haben oder machen.

Kunibert: Ja, dann hören die nämlich auf damit.

Habt ihr euch denn schon mal gefreut, wenn andere Fehler machen?

Lucie: Also manchmal, wenn andere in der Klassenarbeit irgendwas falsch gemacht haben, dann freue ich mich ein bisschen.

Friederike: Wenn ich nicht wirklich für einen Test oder so gelernt habe, dann freue ich mich nicht, wenn andere auch Fehler machen, nur wenn ich mich angestrengt habe und dann einen Rechtschreibfehler habe und deshalb eine schlechtere Note kriege.

Lucie: Ich mache Akrobatik und wenn ich was gut gemacht habe und andere auch und die dann gelobt werden und ich nur Kritik kriege, dann freue ich mich insgeheim schon, wenn die dann auch mal was falsch machen.

Kunibert: Wenn einen jemand immer damit ärgert, dass er besser ist, dann ist das auch mal schön, wenn man denjenigen zurück ärgern kann, weil er bei irgendwas mal nicht so gut war.

Wenn ihr merkt, dass jemand auf euch neidisch ist, ist das unangenehm?

Lucie: Ein bisschen schon. Ich sage dann manchmal, dass derjenige ja auch die Chance hat, das gleiche zu bekommen.

Paula: Also mir geht das auf die Nerven, wenn mir jemand ständig sagt »Oh, wie toll, wie hast du das gemacht?«. Dann sage ich, dass mich das stört und dass er es ja bestimmt genauso gut kann.

Friederike: Wenn ich zum Beispiel ein schöneres Fahrrad habe, dann rede ich meistens die Sachen schön, die der andere hat.

Ist Neid denn immer was Negatives?

Lucie: Na, ohne Neid würde man ja nie auf Ideen kommen. Man kann ja neidisch auf denjenigen sein, der die Brille erfunden hat und dann selber auch was Neues erfinden. Oder man trägt die Idee dann weiter, weil man dann auch eine Brille will.

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