Linkenpolitiker fordern: «Scharfmacher bremsen»
Neu kritisiert Entsendung von Militärbeobachtern als «zutiefst unprofessionell» / Liebich: Regierung soll in Kiew und Moskau auf Genfer Vereinbarung dringen / Gehrcke: Jazenjuk «ebenso dumm wie unverantwortlich
Berlin. Politiker der Linkspartei haben am Wochenende auf Deeskalation in der Ukraine-Krise gedrängt und die Bundesregierung aufgefordert, sich in diesem Sinne stärker zu engagieren. Deutliche Kritik wurde an der Entsendung von Militärbeobachtern laut. Alexander S. Neu, Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss, warf der Bundesregierung in diesem Zusammenhang vor, »zutiefst unprofessionell« gehandelt zu haben. Die Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa seien »auf Vertrauen angewiesen. Vertrauen entsteht nur bei einer neutralen Haltung«, kritisierte Neu. Mit der Entsendung der Militärbeobachter hätten einige westliche OSZE-Mitgliedsstaaten »einen Schatten auf die Tätigkeit der OSZE-Mission als Ganzes« geworfen.
Neu sagte, zwar sei die Entsendung eines so genannten Verifikationsteams nach dem »Wiener Dokument 2011« in die Ukraine »rechtlich betrachtet in Ordnung. Ob dies jedoch angesichts der sehr angespannten Lage im Osten« des Landes, wo die Beobachter, darunter auch Bundeswehr-Angehörige, von als prorussisch bezeichneten Aufständischen festgesetzt wurden, »zurückhaltend formuliert, klug ist, ist zu bezweifeln«. Neu sagte weiter, »die Vorwürfe der Spionage« seitens der Aufständischen seien »zumindest nicht gänzlich von der Hand zu weisen«. Der OSZE-Mission in der Ost-Ukraine sei durch die Entsendung der Militärbeobachter »ein Bärendienst erwiesen« worden.
Der Vizevorsitzende der Linksfraktion, Wolfgang Gehrcke, forderte, die »festgesetzten OSZE-Beobachter in der Ostukraine, darunter auch von Deutschland Entsandte, sofort und ohne Vorbedingungen« freizulassen. Gehrcke schlug vor, dass OSZE-Beobachter, »obwohl dies nicht vertraglich abgesichert ist, einen Status von Diplomaten erhalten« sollten. Bei den festgehaltenen Militärbeobachtern handelt es sich um ein »Military Verification Team«, das zwar nicht offiziell von der OSZE entsandt wurde, dessen Aufenthalt der Gruppe in der Ukraine aber durch das von den OSZE-Mitgliedsstaaten vereinbarte »Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen« gedeckt ist.
Gehrcke sagte, es müssten »alle Möglichkeiten und Kontakte genutzt werden, für die Freilassung der OSZE-Beobachter aktiv zu werden. Auf keinen Fall aber darf deren Festsetzung benutzt werden, den Konflikt weiter anzuheizen«. Der Linkenpolitiker bezeichnete die Äußerung des ukrainischen Übergangspräsidenten Arseni Jazenjuk, der von einem drohenden »Dritten Weltkrieg« gesprochen habe als »ebenso dumm wie unverantwortlich. Alles, was auf eine militärische Auseinandersetzung hinsteuert, muss unterbleiben.« Gehrcke kritisierte zudem den Beschluss der G7-Staaten über weitere Sanktionen der EU gegen Russland. Dieser verbessere »nicht die Bedingungen für Verhandlungslösungen, sondern ist nur geeignet, sie weiter zu zerstören«. Der Linken-Politiker forderte, die Bundesregierung müsse »umgehend den Inhalt der beschlossenen Sanktionen dem Bundestag vorlegen. Ihre bisherige Auskunft, dass darüber noch verhandelt würde und deshalb keine Angaben gemacht werden könnten, ist offensichtlich hinfällig«.
»Die Bundesregierung muss bei den Verantwortlichen in Kiew und Moskau auf die Einhaltung der Genfer Verabredungen dringen«, sagte der Außenpolitiker der Linksfraktion, Stefan Liebich, in der »Rheinischen Post«. Dazu gehöre auch, rechte ukrainische Gruppen zu entwaffnen, und durch die für Unabhängigkeit eintretenden Gruppen besetzten öffentlichen Gebäude zu räumen. Ähnlich äußerte sich der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko, der letzte Woche mit einer Delegation des Europaausschusses in Kiew und Donezk war. Es reiche nicht, »allein an Putin zu appellieren, die Bundesregierung muss sich an alle Seiten wenden, die Genfer Vereinbarungen einzuhalten«, so der Linken-Politiker. Diese sehen die Entwaffnung aller nichtstaatlichen Gruppen vor, »sowohl der Besetzer im Osten als auch der Paramilitärs des Rechten Sektors«, so Hunko. »Alle Seiten sollten ihre Scharfmacher bremsen.«
Die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel, die im Bundestag Vorsitzende des Unterausschusses für Vereinte Nationen, Globalisierung und internationale Organisationen ist, forderte inzwischen von der Bundesregierung, die »militärische Eskalation des de-Facto-Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk und die neuerliche Drohungen von US-Außenminister Kerry« zu verurteilen »und sich endlich glaubwürdig für eine politische Lösung einsetzen«. Hänsel nannte es »offensichtlich, dass Jazenjuk im Auftrag des NATO-Partners USA handelt und nichts als Eskalation und Verschärfung der Lage im Sinn hat«. Sie verwies darauf, dass in Kiew und in der Westukraine weiterhin die Besetzung von Gebäuden und Plätzen durch bewaffnete Gruppen des Rechten Sektors geduldet werden, während die Kiewer Übergangsregierung »Panzer in die Ostukraine« schicke. Jazenjuk werde »seit Jahren von US-Stiftungen gefördert und finanziert«, so die Linkenpolitikerin weiter. Hänsel kritisierte auch »die andauernde einseitige Berichterstattung der westlichen Medien, die diesen Militäreinsatz billigen« würden. Sie »fordere insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien auf, sich nicht länger an dieser Propaganda zu beteiligen«. nd
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