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Der Herr der Quadrate

Warum das Rot-Gelb-Blau? Das Bucerius Kunst Forum Hamburg antwortet mit: »Mondrian. Farbe«

  • Martina Jammers
  • Lesedauer: 5 Min.

Rot, Gelb und Blau sind die Farben, die Piet Mondrian berühmt gemacht haben. Seit 1921 malte er ausschließlich mit den Primärfarben und kombinierte diese mit weißen Flächen und schwarzen Linien. Heute prangen die charakteristischen Farbfelder auf Haarspraydosen und Smartphone-Hüllen. Beängstigend steile Highheels stöckeln mit dem nämlichen Muster durch die Metropolen der Welt. Hermès kreierte in den 1960ern mit Mondrians Rasterformen eine begehrte Handtasche. Und ein von Yves Saint Laurent 1965 designtes Kleid spielte noch vor drei Jahren bei Christie’s in London sagenhafte 30 000 Pfund ein. Mondrians rhythmisierte Bilder seiner De Stijl-Zeit avancierten mit ihrem Purismus rasch zu einer der Ikonen der Moderne.

Doch es gab für den niederländischen Maler eine fruchtbare Zeit vor dem diskreten Charme der Quadrate und Quader mit ihren strengen Umrisslinien. Bekannt ist, wie Mondrian seinen »Grauen Baum« von 1912, der bereits von allem Individuellen und Situativen befreit ist, sukzessive überführt in seine charakteristischen Gitterstrukturen. Eine erhellende Ausstellung im Hamburger Bucerius Kunst Forum zeigt ihn nun mit größtenteils unbekannten Werken. Zunächst fühlte sich Mondrian seinem Landsmann Rembrandt verpflichtet. Während seines Studiums an der Amsterdamer Kunsthochschule in den Jahren 1892-1897 verbrachte der Künstler die Sommermonate bei seinen Eltern in Winterswijk im Achterhoek. Erdige Farben und ein pastoser Farbauftrag dominieren die meist heimischen Sujets wie Bauerngehöfte, schlichte Scheunen oder Wälder.

Mondrian besaß drei Malkoffer, auf die er Karton oder Leinwand mit Reißzwecken befestigte, um seine Ölstudien zumeist direkt mit dünner Farbe zu malen. Gerade im Vergleich zu Max Liebermann, der ähnliche Szenen während seiner Hollandaufenthalte wählte und dabei das Milieu betonte, interessiert seinen Kollegen das bewusst lapidare Motiv vor allem hinsichtlich der geradezu kubischen Formen und gedeckter Tonigkeit. Bäume und immer wieder Bäume faszinieren den Maler. Dicht gedrängt ordnet er Weidenbäume an einem Flussufer an. Wenn man mag, nimmt er in der Betonung der vertikalen Stämme und den von ihnen wegstrebenden Äste schon sein Lebensthema vorweg. Doch atmen die fein abgestuften Grüntöne, welche die Unebenheiten des Waldbodens herausarbeiten, deutlich das Organische der Natur. Ein Gespür für Rhythmus, das später in sein vibrierendes letztes Gemälde »Broadway Boogie Woogie« münden wird, muss man Mondrian schon früh attestieren.

Nachdem er sich in seinem Amsterdamer Freundeskreis aus Künstlern und Intellektuellen intensiv mit Goethes Farbenlehre beschäftigt hat, finden Landschaften des Übergangs - das Licht der untergehenden Sonne etwa oder das kühle verfremdende Mondlicht - seine große Aufmerksamkeit. In seinem Aufsatz »De Nieuwe Beelding in de schilderkunst« formulierte Mondrian 1917 unter Berufung auf Goethe: »Farbe ist getrübtes Licht.« Das heißt: Das Licht wird nicht als ein strahlendes gezeigt, vielmehr als ein Leuchten, das vom Horizont ausgeht. Betont flächig lehnt er seine an Munch gemahnende »Sommernacht« (1907) an, wo die Kontur betont aufgelöst ist.

Mit seiner »Mühle von Ostzijdse mit weitem, blauen, gelben und purpurfarbenen Himmel« verabschiedet sich Mondrian 1908 definitiv vom Kolorit des Frühwerks und greift nun zu kräftigen Nuancen. Auffallend ist der in parallelen Bahnen angelegte Himmel. Details treten in den Hintergrund. Dies gilt noch stärker für seine ein Jahr später gemalte »Dünenskizze«: Mit leuchtendem Gelb markiert Mondrian hier das Spiel der Sonne auf den Dünenkämmen. Das Atmosphärische überwiegt, was man beim Schöpfer rationaler Kuben kaum vermutet hätte. Dass die Baumreihen und Uferbegrünungen nie durch Staffagefiguren eingeklammert werden, weist den Weg in die 20er Jahre: Denn auch die berühmten Rasterbilder werden nicht zum Bildrahmen hin begrenzt, sondern verlängern sich im außerbildlichen Raum.

Die Einflüsse Cézannes und des Kubismus machen sich nach Mondrians Umzug nach Paris im Jahre 1912 geltend. Dennoch formt er aus seinen Eindrücken einen ganz eigenen Stil. Kuratorin Ortrud Westheider unterstreicht, dass Mondrian »kein Revolutionär, sondern vielmehr als Evolutionär« sich seinen Weg in die Moderne suchte.

Die größte Entdeckung in Hamburg sind wohl seine Porträts. Die Präferenz für die Trikolore Rot-Blau-Gelb zeichnet sich hier bereits deutlich ab. Die Kenntnis von der gegenseitigen Beeinflussung der Farbe fußt auf Goethes »Farbenlehre«. In seinem Bildnis eines jungen Mädchens mit feuerrotem Haar gehen der Körper des Mädchens und der sie umgebende Raum durch parallel gesetzte Farbbahnen ineinander über. Während das Sujet Ruhe verströmt - der Titel lautet »Andacht« -, wirkt die malerische Behandlung expressiv. Mondrians Beschäftigung mit der Theosophie dürfte bei der Entstehung im Jahre 1908 mit hineingespielt haben. Nicht allein, dass Helena Blavatskys Vorstellung von der menschlichen Seele als einem »Astralleib« im versonnenen Mädchenantlitz eine Entsprechung finden. Darüber hinaus hatten die Theosophen Annie Besant und Charles Webster Leadbeater der »Andacht« ein spezielles Kapitel gewidmet.

Den Abschluss dieser Entwicklung blauer Formen bildet eine »wunderbar schöne Form«, die »an eine sich öffnende Blumenknospe« erinnert. Und worauf schaut die andächtige kleine Rothaarige? Links oben wirbelt eine weit geöffnete bläuliche Blume heran. Wer hätte gedacht, dass der »Maler der Diagramme« (Barnett Newman) derart romantisch gesinnt war und behutsam den Weg in die Schwerelosigkeit suchte, das Materielle abschüttelte, um, wie sein philosophisches Vorbild Spinoza, nachzuweisen, dass die Erkenntnis der Substanz allenfalls intuitiv aufgenommen werden kann.

Bucerius Kunst Forum Hamburg: Mondrian. Farbe, bis 11. Mai

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