Unkoordiniert gegen Niedrigstlöhne
LAK stellt Untersuchung über Umgang von Jobcentern mit sittenwidriger Bezahlung vor
Die guten Nachrichten vom Berliner Arbeitsmarkt halten an. Erst letzte Woche hieß es, der Stand der Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Allerdings haben da nicht alle etwas von. Denn, so eine zentrale Botschaft der am Donnerstag vorgestellten Studie »Sittenwidrige Beschäftigung und Berliner Jobcenter«, die Zahl der sogenannten Aufstocker stagniert auf hohem Niveau. Die vom Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise erstellte Untersuchung beziffert jene Lohnabhängigen, die von ihrem Lohn nicht Leben können und deshalb zusätzlich ALG II-Leistungen beziehen, auf rund 105 000. Das sind rund acht Prozent aller in Berlin Beschäftigten. Von den Aufstockern seien 55 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Soweit die gesicherten Zahlen. Keine belastbaren Angaben indes gibt es über die Verbreitung von sogenannten sittenwidrigen Beschäftigungsverhältnissen. Gemeint sind damit Stellen, die mit weniger als zwei Drittel des Tariflohns vergütet werden. Es gibt Fälle, da liegen die Stundenlöhne unter fünf Euro. Da diese Jobs weder von der Berliner noch von der Arbeitsagentur in Nürnberg erfasst werden und nur ein Berliner Jobcenter sich an der Studie beteiligte, mussten andere Quellen ausfindig gemacht werden. So griff Studienautor Markus Wahle auf parlamentarische Anfragen und Berichte von Vertretern der Gewerkschaften in den Beiräten der Berliner Jobcenter zurück. Und auf die Zählung von Gerichtsprozessen. Denn gerade in letztet Zeit haben auch Berliner Jobcenter häufiger Arbeitgeber verklagt, die sich ihre Löhne von Steuergeldern subventionieren ließen. Wahle nannte die Zahl von 55 Gerichtsprozessen. Auch hatten die Berliner Jobcenter angekündigt, koordinierter gegen sittenwidrige Löhne vorzugehen. Doch das passiere nicht. »Die Bezirke gehen unterschiedlich mit dem Problem um«, sagte Wahle. Manche würden Mitarbeiter schulen, entsprechende Arbeitsverhältnisse auszumachen. Andere schickten ALG II-Empfänger in Maßnahmen, wo ihnen beigebracht wird, Lohnverhandlungen mit Unternehmen zu führen.
Neben der nicht abgestimmten Strategie der Berliner Jobcenter und ihrer unzureichenden Prüfung von Stellenangeboten auf Sittenwidrigkeit hin wird auch die mangelnde Beratung kritisiert. Die Betroffenen hätten meist keine Ahnung von ihren Rechten. Doch sie könnten Vermittlung in sittenwidrige Jobs ablehnen - ohne Sanktionen fürchten zu müssen.
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