VWs dunkle Brasilien-Kapitel

Kritische Aktionäre werfen dem Konzern Verstoß gegen ethische Richtlinien vor

Bei der VW-Hauptversammlung wollen die Kritischen Aktionäre der Konzernspitze unangenehme Fragen stellen.

Die im Juni beginnende Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien wirft längst ihre Schatten voraus - nicht nur sportlich. Selbst bei der Hauptversammlung von Volkswagen am Dienstag in Hannover spielt das Großereignis zumindest am Rande eine Rolle. Der Dachverband der Kritischen Aktionäre wird der Konzernleitung unangenehme Fragen zu seinem Engagement in dem südamerikanischen Land stellen.

Europas größter Autokonzern blickt hier auf eine lange Tradition zurück. Die Tochtergesellschaft Volkswagen do Brasil wurde bereits 1953 gegründet. Heute hat man in Brasilien fünf Fabriken, drei davon im Großraum São Paulo. Produziert wird hier für verschiedene Märkte in Südamerika und Afrika - das Billigmodell Fox sogar für den weltweiten Vertrieb. Nach China hat VW in Brasilien die größte Auslandsvertretung. Das Engagement zahlt sich aus: Zurzeit belegt Volkswagen den zweiten Platz bei Automobilverkäufen in Brasilien. Der für den lateinamerikanischen Markt gebaute Kleinwagen VW Gol (portugiesisch: Tor) ist in dem fußballverrückten Land seit 1987 das meistverkaufte Fahrzeug. Und die Fußball-WM will der Konzern für eine Marketingoffensive nutzen. Dafür schickt man sechs brasilianische Fußballstars als »Markenbotschafter« ins Rennen, darunter die Kick-Legende Pelé.

Was als genialer Schachzug wirken mag, stößt bei den Kritischen Aktionären auf Kritik. Sie erinnern daran, dass Pelé sich im vergangenen Jahr abschätzig zu den Massenprotesten gegen die miserable soziale Lage äußerte. »Der Volkswagen-Konzern sollte sich genau überlegen, wen er als Werbepartner anheuert«, meint Dachverbandsgeschäftsführer Markus Dufner. Er wird bei der Hauptversammlung Unterschriftenlisten und einen Brief mit Forderungen an VW-Chef Martin Winterkorn überreichen.

In einem Gegenantrag fordert der Verband die VW-Aktionäre auf, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Sie begründen das mit der Lieferung von Wasserwerfern mit dem VW-Logo an die Militärpolizei von Rio, die bei den Massenprotesten vor rund einem Jahr zum Einsatz kamen. Dies sei ein Verstoß gegen die eigenen Corporate-Governance-Richtlinien. »Die Verantwortlichen bei Volkswagen, Herr Piëch und Herr Winterkorn, sollten wissen, wem sie VW-Technologie verkaufen«, sagte am Montag Christian Russau vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. »Es ist bekannt, dass die Militärpolizei von Rio de Janeiro zu den berüchtigtsten Polizeieinheiten der Welt gehört.«

Auch in der Vergangenheit gibt es so manche dunkle Kapitel des VW-Engagements in Brasilien. Offenbar pflegte man gute Beziehungen zur Militärdiktatur. Eine brasilianische Zeitung berichtete kürzlich darüber, dass VW do Brasil Spitzel in Gewerkschaftsversammlungen einschleuste und Informationen über seine Angestellten an die Geheimpolizei weiterreichte. Und nach Angaben von Generalstaatsanwalt Cláudio Fonteles geht aus Dokumenten des Geheimdienstes hervor, dass VW und die heutige Tochter Scania zwei Institutionen finanziell förderten, die als Mittelsmänner von Industrie und Unternehmern zu den Repressionsorganen fungierten. Noch in diesem Jahr soll VW do Brasil vor der Nationalen Wahrheitskommission zur Verstrickung in die Machenschaften der Militärdiktatur aussagen.

Die Kritischen Aktionäre wollen aber schon jetzt genaueres wissen: »Wir fordern Volkswagen auf, diese Vorgänge umgehend zu untersuchen und aufzuklären«, sagte Russau. »Volkswagen muss sich seiner historischen Verantwortung stellen und sich dazu bekennen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -