Auferstehung eines Moderators
Wie das »Quizduell« in der ARD zum technischen Desaster und zum Gewinn gleichermaßen wurde
Manchmal erinnert die ARD an Bernd Stromberg. Als das selbstgerechte Büroviech von Pro7 von seiner Frau verlassen wurde, wollte er sich mit moderner Lederjacke nebst Basecap auf Krampf jünger machen - was schon deshalb schwer in die nagelneue Jeanshose ging, weil der rückständige Depp das Preisschild vergessen hatte. Peinlich, aber erwartbar. Das peinlich erwartbare Preisschild dagegen, das dem Ersten am vorigen Montag aus der popmodernen LED-Wand hing, war folgende Begrüßungsformel: »Herzlich Willkommen«, brüllte Jörg Pilawa um 18 Uhr, »zum wirklich größten TV-Experiment des Jahres«. Zu dumm, dass es Minuten später zum vielleicht größten TV-Desaster des Jahres geriet.
Dabei war alles so gut losgegangen. Von weltweit 16 Millionen Menschen, die sich das »Quizduell« aufs Smartphone geladen haben, hatten sich 187 204 fürs digitale Spiel mit vier analogen ARD-Kandidaten registriert. Und die netten Lehrer aus Pilawas norddeutscher Heimat standen auch leicht nervös, aber siegesgewiss am realen Spieltisch, als sie die erste Runde in Fleisch und Blut eröffneten. Nur - aus dem virtuellen Word Wide Web da draußen drang kein einziger Gegner vor ins ratespielblaue Studio. Die Technik hatte versagt. Es war der Super-GAU.
Der wurde auch dadurch kaum erträglicher, dass die Regie ihrem verdutzten, doch nie sprachlosen Moderator (bewusst oder nicht) das Märchen vom fiesen Hacker ins Ohr raunte, vor dessen Einfluss Jörg Pilawa - »Chapeau!« - durchaus anerkennend den Hut zog. Noch weniger lindernd wirkte es sodann, dass die vier Kandidaten fortan gegen 150 Studiogäste statt Hunderttausende von Gegnern »bis auf die Galapagos-Inseln« spielten, wie der gut gelaunte Showmaster zu Beginn noch geprahlt hatte. Vollends lächerlich jedoch wurde das Konzept, als ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann tags drauf »Ursachenforschung auf Hochtouren« versprach, die erforschte Ursache aber bis zum Ende der Woche nicht in den Griff kriegte.
Kurzum: das groß angekündigte Quiz 2.0, die Symbiose zwischen alten und neuen Medien war letztlich doch bloß das, was der quirlige Spielleiter nach der ersten Werbepause gewohnt nonchalant wie folgt umschrieb: »Fernsehen der 70er und 80er Jahre«. Womit wir beim Gewinner der ganzen Misere wären, eine Art Kollateral-Nutznießer. Denn ausgerechnet Jörg Pilawa, den Spötter zu Kollegen wie Lanz, Kerner, Geissen hinter den Mond wünschen, hat das »Quizduell« praktisch im Alleingang gerettet.
Souverän hat er den ungeplanten Konzeptwechsel wegmoderiert wie ein Conferencier der Marke Kuhlenkampff und Carrell. Mit dem anarchischen Potenzial der multimedialen Zukunft hat er junge Zuschauer bedient wie zeitgenössische Nachwuchskräfte von Joko bis Klaas. »Meine Lehrer haben früher gekifft«, sagte Pilawa an einer Stelle zum Kandidaten-Quartett, das erstaunliches Fachwissen über Weinfässer präsentierte, »und ihr trinkt.« Da blickte wohl nur das öffentlich-rechtliche Stammpublikum mit dem eisgrauen Haar indigniert zu Boden. Der Rest erfreute sich an einer Show, dessen Quoten nach dem verpatzten Debüt zwar sanken, aber nicht wegbrachen. Auch dank Jörg Pilawa, der mittlerweile gewettet hat, eine Rolle in der ARD-Soap »Verbotene Liebe« zu übernehmen, sollte sein Arbeitgeber das Quizduell nicht App-tauglich kriegen.
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