Gabriel will Exportstopp für Überwachungstechnologie
Bericht: Bundeswirtschaftsminister will Ausfuhr in Staaten unterbinden, die Oppositionelle ausspionieren / Lob von Menschenrechtsorganisationen
Berlin. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will laut einem Bericht mehrerer Medien den Export von Überwachungstechnologie in Unrechtsstaaten unterbinden. »Das wollen wir nicht mehr zulassen«, wird Gabriel zitiert. Das von dem SPD-Politiker geführte Ministerium habe den Zoll angewiesen, die Ausfuhr von Überwachungstechnologien streng zu kontrollieren, berichten »Süddeutsche Zeitung«, NDR und WDR. In problematischen Fällen solle die Ausfuhr von Technik, die zur Überwachung eingesetzt werden kann, künftig verboten werden. Auch könnte bis auf die Ebene der Europäischen Union eine strengere Exportkontrolle beschlossen werden, heißt es in dem Bericht. Im Gespräch mit den drei Medien deutete Wirtschaftsminister Gabriel aber an, dass auch der NATO-Partner Türkei sowie Russland künftig nicht mehr beliefert werden sollen.
Die Veröffentlichung der Pläne Gabriels kommt unmittelbar nachdem Gabriel wegen seiner Genehmigungspraxis von Rüstungsgütern an Unrechtsregime unter politischen Druck geraten war. »Wer die Freiheit des Internets verteidigen will, darf solchen Regimen keine Technologien an die Hand geben, um die Internetnutzer rücksichtslos auszuspionieren und dabei ohne Grund ihre elementaren Grundrechte zu verletzen«, wird der SPD-Politiker nun zitiert. Autoritäre Regime würden ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren unterdrücken, sondern zunehmend auch mit Internet-Überwachungstechnologie, heißt es beim NDR vorab.
Die Kritik an dem Vorsitzenden der Sozialdemokraten war in den vergangenen Tagen laut geworden, weil die Rüstungsexporte in Länder außerhalb von EU und Nato in den ersten Monaten dieses Jahres gestiegen sind - darunter auch in Staaten, die wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen. Die Opposition hatte Gabriel daraufhin leere Ankündigungen vorgeworfen. »Deutschland exportiert auch unter der Ägide eines sozialdemokratischen Vizekanzlers den Tod in alle Welt«, sagte Linke-Chefin Katja Kipping am Montag in Berlin. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Vorsitzende Simone Peter: »Die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel angekündigte restriktive Rüstungsexportpolitik bleibt bisher ein reines Ammenmärchen.«
Nun also die Berichte über den möglichen Stopp von Lieferungen digitaler Überwachungstechnologie an Unrechtsstaaten. Die EU-Kommission plant bis Herbst, so heißt es weiter, ohnehin strengere Regelungen zum Export von Spähtechnologie, die dann automatisch auch in der Bundesrepublik gelten. Bislang gab es so gut wie keine gesetzlichen Beschränkungen für die Ausfuhr von Staatstrojanern, Internetkontrollzentren und ähnlicher Spähtechnologie. Lediglich Lieferungen nach Syrien und Iran sind seit einiger Zeit verboten. »Deutsche Firmen gehören weltweit zu den Marktführern für Überwachungstechnologie«, berichtet der NDR. Diese sei auch gegen politische Aktivisten und Oppositionelle etwa im Arabischen Frühling eingesetzt worden, kritisierten Menschenrechtler - darunter in Bahrain, Syrien und Ägypten.
Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Ankündigung Gabriels. Der Schritt sei »längst überfällig«, wird Alaa Shehabi von bahrainwatch zitiert. Die Aktivistin wurde vor nicht allzu langer Zeit selbst Opfer einer deutsch-britischen Spähsoftware. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, keine Lieferungen digitaler Überwachungstechnologie an Unrechtsstaaten mehr zu erlauben. »Viele Regierungen bringen nicht zuletzt mit Hilfe westlicher Überwachungstechnologien kritische Journalisten und Blogger zum Schweigen«, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Die Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers sei »ein positiver erster Schritt«, um den Export der Technologien in Staaten zu stoppen, die »die Pressefreiheit und andere Menschenrechte mit Füßen treten«. nd/mit Agenturen
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.