Fleck auf dem Grundgesetz
Gastredner Navid Kermani erinnert im Bundestag an die Abschaffung des Rechts auf Asyl
Beim Festakt zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes im Bundestag hat der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani mit deutlichen Worten die deutsche Asylpolitik kritisiert. In seiner Rede vor den Abgeordneten bezog sich der in Deutschland geborene Sohn iranischer Eltern auf die Änderung des entsprechenden Grundgesetzartikels im Jahr 1993. »Das Grundrecht auf Asyl ist damit in Deutschland faktisch abgeschafft worden«, erklärte Kermani. Bis zum 70. Jahrestag seiner Verkündung sollte das Grundgesetz von diesem »hässlichen, herzlosen Fleck« gereinigt werden, forderte er. Deutschland habe genügend Ressourcen, um die Verantwortung für politisch Verfolgte nicht auf sogenannte Drittstaaten abzuwälzen. Damit bezog sich Kermani auf die Dublin-Verordnung, die Flüchtlingen nur ein Asylverfahren in dem Land erlaubt, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben. In seine Rede baute Kermani aber auch einige patriotische Passagen ein: »Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen. Statt sich zu verschließen, darf es stolz darauf sein, dass es so anziehend geworden ist«, sagte er pathetisch.
Einige Unionsabgeordnete verließen das Plenum. Auch den Fraktionschef der Union, Volker Kauder, der stets eine schwarz-rot-goldene Nadel am Anzug trägt, konnte so viel Lob für ein Land, das große Probleme mit rassistischer Gewalt hat, nicht versöhnen. Er war nicht sonderlich begeistert von der Rede des Gasts im Parlament. Vieles teile er, manches auch nicht, erklärte der Konservative. Kauder betonte, dass Deutschland das Land sei, »das am meisten Asylbewerber in ganz Europa aufnimmt«. Dabei hatte Kauder in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass nicht allzu viele hilfebedürftige Menschen in die Bundesrepublik kommen. So ließ der CDU-Mann etwa in Zeiten des politischen Umbruchs in Tunesien die Leser einer großen Boulevardzeitung via Gastbeitrag wissen, dass er dagegen sei, dass Deutschland Flüchtlinge aus dem nordafrikanischen Land aufnimmt.
Stattdessen will sich Deutschland auf dem südlichen Nachbarkontinent Europas militärisch stärker engagieren. So beteiligt sich die Bundeswehr etwa an der Ausbildung somalischer Soldaten. Eine aus Sicht der Koalition »erfolgreiche Mission« läuft derzeit vor der Küste des ostafrikanischen Bürgerkriegslands. Diese seit Dezember 2008 EU-geführte Operation Atalanta wurde am Donnerstagabend vom Parlament um ein weiteres Jahr bis zum 31. Mai 2015 verlängert. Die Obergrenze des Mandats wurde von 1400 Soldaten auf 1200 reduziert, derzeit sind rund 370 Soldaten im Einsatz. Die Mission richtet sich gegen die Piraterie, die in letzter Zeit in dieser Region zurückgegangen ist. Eine mögliche Lösung der Konflikte in Somalia hat die Bundesregierung schon lange aufgegeben und bekämpft nur noch deren Auswirkungen. Stimmen gegen die Einsatzverlängerung kamen vor allem von der LINKEN, in den Reihen der Grünen gab es viele Enthaltungen.
Große Bedenken haben die beiden Oppositionsfraktionen auch gegen das Handelsabkommen (TTIP) zwischen der Europäischen Union und den USA. Linksfraktion und Grüne hatten hierzu Anträge in den Bundestag eingebracht. Die LINKE forderte unter anderem den Stopp der Verhandlungen. Sie verwies auf Befürchtungen aus der Zivilgesellschaft sowie von kritischen Wissenschaftlern, Politikern und Gewerkschaftern, dass Verschlechterungen unter anderem im Verbraucher- und Umweltschutz, bei Arbeitnehmerrechten und beim Datenschutz drohten. Linksfraktion und Grüne monierten zudem die intransparenten Verhandlungen. »Derart wichtige Entscheidungen dürfen nicht hinter dem Rücken der Bürger getroffen werden«, sagte der Chef der Grünen-Fraktion, Anton Hofreiter.
Der stellvertretende Linksfraktionsvorsitzende Klaus Ernst erklärte, dass es gefährlich sei, dass in dem von Brüssel parallel mit Kanada verhandelten Abkommen Ceta die Klauseln zum Investorenschutz enthalten seien. Dieses weit fortgeschrittene Ceta-Abkommen könnte am Ende als Blaupause für den Vertrag zwischen EU und USA dienen. Es wird befürchtet, dass sich Konzerne durch die Klauseln vor Gericht hohe Entschädigungen erstreiten können. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte hingegen immer wieder betont, dass er Schutzklauseln für Investoren bei TTIP für überflüssig hält.
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