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Am laufenden Band
Die Sprache des Arbeitsplatzwechsels ist bekanntlich nicht nur in den Medien von Heuchelei der Art von »neue Herausforderung« oder »großer Vorfreude« geprägt. Andreas Bartl, lange Zeit fürs Pro7-Programm zuständig, leitet künftig die Geschäfte der Konkurrenz und betont nun, wie dufte es sei, »diesen immer wieder innovativen und gut positionierten TV-Sender zu führen«. Das wäre schon bei Pro7 eine lächerliche Selbstentlarvung, aber bei RTL2?
Heute etwa laufen dort nach der Dokusoap »Frauentausch« um 9.20 Uhr neun Dokusoaps, bis die, äh, »Hauptnachrichten« vier weitere Dokusoaps einleiten. Da wirkt der Muttersender mit seiner Rückschau »I like the 90’s« am Donnerstag oder dem Finale von »Let’s Dance« tags drauf fast unterhaltsam. Wenn auch nicht annähernd so wie »Die Anstalt«, die morgen im ZDF in die Sommerpause geht. Oder Hinnerk Schönemann als Detektiv Finn Zehender, der es im heutigen Nordseekrimi »Aschberg« wieder mit einem grandiosen Drehbuch zu tun kriegt. Da paart sich anarchischer Witz mit spannender Story in einer Weise, die sich Fernsehen auf dem Sendeplatz nur selten traut. Dort regiert eher historisches Entertainment der Art von »Clara Immerwahr« am Mittwoch im Ersten. Es ist fraglos solide inszeniert, wie Katharina Schüttler als brillante Chemikerin daran zerbricht, dass sie ihr herrischer Gatte Otto Hahn nicht nur zur Hausfrau degradiert, sondern dem Giftgaseinsatz im Ersten Weltkrieg den Weg bereitet. Doch dramaturgisch bleibt das typisch Biopic mit etwas viel Pathos und etwas wenig Wagemut.
Den kann man dagegen zwei gelungenen Dokus (ohne Seife dran) attestieren: »Die Vatikanverschwörung«, die heute um 22.45 Uhr im ZDF den Machenschaften einer Sekte namens Katholische Kirche auf den Grund geht, der nach geltendem Recht ein Verfahren als kriminelle Vereinigung drohen müsste. Und Mittwoch, zur besten Sendezeit auf dem ZDF-Ableger -Kultur: »Punk im Dschungel« über die schwäbische Band Cluster Bomb Unit, der auf ihrer Tour durch Indonesien Erstaunliches widerfährt. Nicht ganz so erstaunlich ist das, was Himmelfahrt passiert. Da sondern die Sender ihre üblichen Blockbuster und Quizshows ab, nur eben ganztägig. Aus dem Rahmen fällt dabei jedoch die Fortsetzung der britischen Reihe »Sherlock«, wo Benedict Cumberbatch als modernisierter Detektiv endlich von den Toten aufersteht.
Zu den Toten gesellen sich am Freitag dagegen (vorläufig) die zwei Neuen vom »Fall für zwei«, der sich allerdings als fortsetzungsfähig erwiesen hat. Ob es für 30 Jahre wie beim Vorgänger Matula reicht, sei mal dahingestellt; für die Lebensdauer eines Tatort-Ermittlers könnte es aber reichen. Apropos: Der macht Sonntag für ein Fußballländerspiel Pause, womit abermals die Verlogenheit belegt wäre, mit der das Erste jede Art Innovation zu erträglicher Sendezeit unterm Verweis auf verlässliche Programmstrukturen abbügelt. Wenigstens ist auf den »Tipp der Woche« Verlass: Akira Kurosawas King Lear auf Japanisch »Ran« von 1985, Mittwoch auf Servus, leider erst nach Mitternacht.
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