Haben die Ägypter wirklich eine Wahl?

Neutralität hält die Übergangsregierung nicht für nötig / Ein politisches Programm hat Favorit Sisi nicht

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
In Ägypten beginnen am Montag die zweitägigen Präsidentschaftswahlen: Ex-Generalstabschef Abdelfattah al-Sisi tritt gegen den Sozialisten Hamdin Sabahi an. Der Sieger steht so gut wie fest.

Nach außen hin ist alles wie früher. Wie bei der Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren hat sich auf dem Tahrir - jenem legendären Platz im Stadtzentrum von Kairo - wieder eine Menschenmenge um Hamdin Sabahi und seine Leute versammelt. Jugendliche rufen die Parolen der Revolution, die sich Anfang 2011 nur wenige Meter weiter abspielte und am Ende zum Sturz von Präsident Husni Mubarak führte. Nach der Rede spricht Sabahi einige Minuten über seine Plattform: Ihm gehe es um soziale Gerechtigkeit und Freiheit. Routiniert skizziert er einen Plan, wie der öffentliche Sektor effizienter gestaltet und von Korruption befreit werden solle. Die Besteuerung, die bei 20 Prozent für alle liegt, müsse hohe Einkommen stärker berücksichtigen und Niedriglöhne freistellen. Die hohe Arbeitslosigkeit von offiziell 13,4 Prozent - wobei mehr als zwei Drittel der Betroffenen jünger als 29 Jahre sind -, will er durch »Mikroprojekte«, eine Art Ich-AG, in den Griff bekommen.

Nur wenige Schritte weiter bietet sich ein völlig anderes Bild: Entweder sagen die Menschen, dass sie gar nicht wählen oder ihre Stimme Sabahis Rivalen Abdelfattah al-Sisi geben wollen. Beides hört man in diesen Tagen weitaus häufiger als das Bekenntnis zu Sabahi - obwohl linke Parteien zu seiner Wahl aufgerufen haben. Andere wiederum fordern einen Boykott, und dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um Anhänger der Muslimbruderschaft, deren Präsident Mohammed Mursi im vergangenen Sommer vom Militär abgesetzt worden ist. Sie zweifeln vor allem die rechtliche Grundlage für die Wahl an. Schließlich gebe es bereits einen gewählten Präsidenten. Seine Absetzung sei verfassungswidrig gewesen, wobei es inzwischen ein neues Grundgesetz gibt, legitimiert durch ein Verfassungsreferendum. Doch auch das wird von den Kritikern als illegal zurückgewiesen. Damit werde nur versucht, der Wiedereinführung der Diktatur einen rechtsstaatlichen Anstrich zu geben.

»Die Übergangsregierung tut alles dafür, um einen Sieg Sisis sicherzustellen«, betont denn auch Kamal Khalil, Funktionär der Revolutionären Sozialisten. Sie habe dafür gesorgt, dass die Medien weitestgehend auf seiner Seite stehen, und lasse Oppositionelle zu Tausenden verhaften. Sisis Gegenkandidat findet in den Medien nur am Rande statt, während um den bisherigen Feldmarschall im Laufe der Monate ein regelrechter Personenkult entfaltet wurde, bei dem Inhalte keine Rolle spielen. Der ehemalige Generalstabschef hat bis heute kein politisches Programm und keinen Plan vorgelegt, wie er die vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes angehen will.

Wie groß sein Vorsprung vor Sabahi am Ende sein wird, lässt sich kaum seriös vorhersagen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 war Sabahi mit 20,72 Prozent Dritter geworden. Der spätere Sieger Mursi hatte damals im ersten Wahlgang nur 24,78 Prozent der Stimmen erhalten. Doch dieses Mal ist die Atmosphäre eine andere. So hat sich nach den vielfältigen Einschränkungen der Bürgerrechte und den Massenfestnahmen der vergangenen Monate ein Klima der Angst breitgemacht. Zudem zeigte sich während des Verfassungsreferendums im Januar, dass von einer geheimen Wahl keine Rede sein konnte. Vielerorts war auch aus mehreren Metern Abstand sichtbar, wofür ein Wähler sich entschieden hatte. Dennoch erklärte die Übergangsregierung das aus ihrer Sicht »erfolgreiche« Referendum zum Vorbild für die Präsidentenwahl.

Schon jetzt ist deutlich, dass ein zu genauer Blick auf die Abläufe nicht erwünscht ist. Tagelang wurde die Ausrüstung einer Beobachtermission der Europäischen Union am Flughafen festgehalten. Vermutlich wurde damit verzögert, wenn nicht verhindert, dass sich internationale Teams rechtzeitig in entlegene Landesteile begeben können. Das offizielle Ergebnis der Wahl soll am Donnerstag bekannt gegeben werden.

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