Rohstoff zum Konflikt
Die Dortmunder Ausstellung »World of Matter« zeigt, wie Kunst zu Wissenschaft, wie Wissenschaft zu Kunst werden kann
Zwei verdreckte Hosenbeine in Gummistiefeln auf einem Schiffsdeck, davor ein Korb mit gefangenem Fisch: So wird in Dortmund auf großflächigen Plakaten die aktuelle Ausstellung »World of Matter« des Hartware-Medienkunstvereins angekündigt, die zur Zeit im neuen Kreativzentrum »Dortmunder U« zu sehen ist. Die Ausstellung, das Ergebnis eines mehrjährigen Rechercheprozesses von Künstlern, Fotojournalisten und Theoretikern, hat die weltweite Ausbeutung von Rohstoffen und deren Verarbeitung zum Thema. Wasser, Coltan, Kohle, Erdöl, Fisch, Reis, Baumwolle ..., die Liste der Materialien, die für die Menschheit im 21. Jahrhundert von Bedeutung sind, ist lang. Dabei könnten die einzelnen Rohstoffe nicht unterschiedlicher in ihrer Bedeutung, die Ausbeutungsmethoden nicht verschiedener sein. Dies zeigt die Ausstellung auf.
Dabei ist das Thema der Rohstoffausbeutung wohl in Deutschland nirgendwo besser aufgehoben als im Ruhrgebiet. Trotz Strukturwandel sind die Industriedenkmäler, die an die Kohle- und Stahlindustrie erinnern, weiterhin sichtbar. Die Ausstellung knüpft geschickt an das Thema an. Die Arbeit »Mineral Visibility« der brasilianischen Künstlerin Mabe Bethônico verknüpft historische Illustrationen und Zitate aus dem Standardwerk der Mineralogie »De Re Metallica« aus dem 15. Jahrhundert mit zeitgenössischen, dokumentarischen Aufnahmen von Bergbauprojekten in Brasilien im Hinblick auf veränderte Geschlechterrollen.
Die Ausstellung ist dabei visuell so vielschichtig wie die Inhalte divergieren. Es gibt großformatige Videoprojektionen, raumgreifende Installationen, Dokumentarfilme, dokumentarische Fotoarbeiten, Multimediaprojekte auf dem iPad und riesige Wandkarten. Der Hauptausstellungsraum wird dominiert von der großformatigen Mehr-Kanal-Videoinstallation »White Gold« von Uwe H. Martin über die weltweite Baumwollproduktion. Mechanisierte Produktionsabläufe in Texas, Handarbeit in Burkina Faso und Wasserprobleme als Folge des Anbaus in Zentralasien sind nur einige der Aspekte, die hier angesprochen werden.
Zu sehen ist auch eine Arbeit des brasilianischen Urbanisten Paulo Tavares, der in Berlin prominent in der Ausstellung »Forensis« im HKW vertreten war. In seiner Arbeit »Non-Human Rights« veranschaulicht er über großflächige Karten und dokumentarische Videos das langjährige Ringen indigener Völker in Ecuador für die Anerkennung der »Rechte der Natur«. Kontrastiert wird dies von einer Wandtapete mit einer Reproduktion eines Gemäldes von Francisco de Goya, das zwei Männer im Kampf mit Knüppeln im Sumpf zeig. Der Philosoph Michel Serres wählte es als Schlüsselbild für die Neubestimmung der Beziehung zwischen Mensch und Natur.
Prominent vertreten in der Ausstellung ist auch die Multimediakünstlerin Ursula Biemann. Herausragend vor allem ihre Installation »Egyptian Chemistry«, mit der die Bemühungen Ägyptens, die Wüste als Agrarraum nutzbar zu machen, dokumentiert werden. Die Titel gebende Arbeit »World of Matter« von P. Mörtenbröck und H. Mooshammer analysiert in vier Kapiteln wie Wissen über Ressourcen produziert wird. Zurück in die Welt des analogen Films entführt den Besucher der Film »Episode of the Sea« in dem Fischer der niederländischen Gemeinde Urk auf See begleitet werden.
Die Ausstellung zeigt anschaulich, wie wissenschaftliche Forschung zu Kunst und künstlerische Produktion zu Wissenschaft werden kann. Aber hier liegt auch eine Schwierigkeit: Der Besucher muss erst einmal die Semiotik der verschiedenen Arbeiten verstehen, um sich den Inhalt erschließen zu können. So kann auch »World of Matter« die immensen Herausforderungen und die vielschichtigen Fragestellungen, die mit der globalen Rohstoffökologie verbunden sind, nur anreißen. Aber vor allem in Kombination mit der ausführlichen Projektwebseite ist es ein umfangreiches Archiv für weitergehende Recherchen zum Thema.
Bis 22.6. im Dortmunder U, Di.-So., 11- 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr; www.hmkv.de
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