89 Prozent für Assad: G7 sprechen von »Scheinwahl«

Syrischer Staatschef bei umstrittener Abstimmung mit haushohem Vorsprung vor zwei unbekannten Gegenkandidaten / UN-Sonderbeauftragte: Frist für Vernichtung aller Chemiewaffen nicht einzuhalten

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der syrische Staatschef Baschar al-Assad hat die umstrittene Präsidentschaftswahl in dem Bürgerkriegsland erwartungsgemäß haushoch gewonnen. Für den Amtsinhaber stimmten 88,7 Prozent der Wähler, wie Parlamentspräsident Dschihad Laham am Mittwoch bekanntgab. Die Wahl wurde allerdings nur in Regionen abgehalten, in denen Regierungstruppen die Kontrolle ausüben. In den nördlichen und östlichen Provinzen, wo überwiegend Aufständische das Sagen haben, fiel die Abstimmung zum großen Teil aus. Prominente Oppositionelle waren faktisch ausgeschlossen, da die meisten von ihnen im Kampf gegen die Regierung stehen oder im Exil leben.

»Während das Assad-Regime mitten im Bürgerkrieg die Wahl zur eigenen Legitimation nutzt, kritisieren zahlreiche Beobachter die Wahl als Farce«, heißt es bei der Organisation Adopt a Revolution, die sich für die Unterstützung des friedlichen Aufstands gegen die Assad-Regierung einsetzt. Die Organisation verweist auf die Kampagne »Don’t vote – rise your voice«, die seit Wochen in den sozialen Medien gegen die Wahl in Syrien mobilisiert habe. Einer der Gründer der Kampagne wird mit den Worten zitiert, dass »es einer der schlimmsten Fehler der Revolution war, dass der Konflikt in einen bewaffneten Konflikt umgeschlagen ist. Die Alternative zu Assad ist die moderate Opposition, nicht die moderate bewaffnete Opposition. Aber die moderate Opposition, die mit seinem politischen Programm und Weg geblieben ist, hat immer nach einer friedlichen Lösung verlangt«.

Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses im Fernsehen strömten am Abend in der Hauptstadt Damaskus Tausende Assad-Anhänger jubelnd auf die Straßen. Auch Feuerwerke wurden gezündet. Assad ist seit Sommer 2000 Präsident, nun tritt er eine dritte Amtszeit an. Er hatte sich zwei unbekannten Gegenkandidaten gestellt: Ex-Staatsminister Hassan al-Nuri und dem kommunistischem Abgeordneten Maher al-Hadschar. Sie kamen den offiziellen Angaben zufolge auf 4,3 und 3,2 Prozent der Wählerstimmen. Nach Angaben des obersten Verfassungsgerichts lag die Wahlbeteiligung bei 73 Prozent. Viele der offiziell rund 15,8 Millionen Wahlberechtigten dürften aber kaum zu einem der rund 9.600 Wahllokale gelangt sein. Nach UN-Angaben sind wegen des Bürgerkriegs mehr als 40 Prozent der gut 22 Millionen Syrer im In- und Ausland auf der Flucht. Der Aufstand gegen die Regierung hat im Frühjahr 2011 begonnen und Aktivisten zufolge mehr als 160.000 Menschen das Leben gekostet.

Die EU und andere westliche Staaten stufen die Wahl daher als unrechtmäßig und undemokratisch ein. Die Staats- und Regierungschefs der sich als die sieben führenden westlichen Industriestaaten ansehenden Länder haben die Regierung Assad erneut scharf verurteilt. In einer Erklärung vom Mittwochabend in Brüssel war von einer »Scheinwahl« die Rede. Es gebe »für Assad keine Zukunft in Syrien«. Die G7 bedauerten zudem erneut das Veto Chinas und Russlands im UN-Sicherheitsrat, mit dem der internationale Strafgerichtshof zu Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Assad-Regimes hätte aufgefordert werden können.

Unterdessen meint die UN-Sonderbeauftragte Sigrid Kaag, die Ende Juni auslaufende Frist für den Abtransport und die Vernichtung aller syrischen Chemiewaffen sei nicht einzuhalten. Die noch verbliebenen rund 7,2 Prozent der Waffen befänden sich gesammelt an einem Ort in Syrien, könnten aber aufgrund der unberechenbaren Sicherheitslage derzeit nicht weggeschafft werden, sagte Kaag am Mittwoch in New York. »Die Frist wird nicht eingehalten werden.« Zuvor hatte Kaag den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Situation informiert. Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos beklagte am Mittwoch vor Journalisten, dass die Gewalt in dem Bürgerkriegsland immer weiter zunehme. dpa/nd

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