Erdölförderung um jeden Preis
Umweltaktivistin Esperanza Martínez über die Ressourcenpolitik der Regierung Ecuadors
nd: Wie kam es dazu, dass das ecuadorianische Umweltministerium Ende Mai die Genehmigung für die Erdölförderung der Felder Tambococha und Tiputini im Yasuní verabschiedete?
Martínez: Spätestens seit unsere Regierung die Yasuní-ITT-Initiative am 15. August 2013 aufgekündigt hat, macht sie sowohl öffentliche als auch geheime Schritte, um die Erdölförderung der Quellen Ishpingo, Tambococha und Tiputini (ITT) vorzubereiten. Unsere Regierung geht dabei strategisch vor, um einen riesigen Konflikt zu verhindern. Diesen könnte es aus mehreren Gründen geben. Zum einen haben wir eine Verfassung, die die Rechte der Natur und der Indigenen Völker schützt. Der Yasuní-Nationalpark ist ein hochsensibles Biosphärenreservat und gleichzeitig Territorium von Indigenen, die in freiwilliger Isolation leben. Zum anderen gibt es ein großes gesellschaftliches Bewusstsein für die Bewahrung des Yasuní.
Welchen Entscheidungsspielraum hat das Umweltministerium?
Wichtig zu erwähnen ist, dass das ecuadorianische Umweltministerium seit 2013 nicht mehr unabhängig ist. Seither ist es dem Ministerium für die Koordinierung strategischer Bereiche untergeordnet. Somit wurde das Umweltministerium zum Anhang eines Ministeriums, bei dem die Produktivität des Landes im Vordergrund steht und hierzu die Förderung von allen Ressourcen geprüft wird. Wir sprechen also von einem Umweltministerium, das immer schwächer wird. Es nimmt jetzt nur noch die Funktion wahr, Umweltlizenzen für Gebiete zu vergeben, in denen laut Verfassung keine Ressourcenförderung stattfinden soll.
Wie ist die Regierung vorgegangen, um die Erdölförderung im Yasuní zu ermöglichen?
Zunächst hat die Regierung das Parlament angerufen, das »nationale Interesse« an der Erdölförderung der ITT-Quellen zu prüfen. Damit hat sie dem Artikel 407 unserer Verfassung entsprochen, der die Erdölförderung in Nationalparks und geschützten Gebieten explizit verbietet, jedoch Ausnahmen von diesem Verbot festlegt, sofern ein »nationales Interesse« vorliegt. Das Parlament hat dieses »nationale Interesse« bestätigt. Anschließend hat die Regierung die Schritte eingeleitet, die die Erdölförderung vorbereiten. Die Umweltlizenz für die Erdölförderung konnte jedoch nicht umgehend verabschiedet werden, da das YASunidos-Bündnis im September 2013 ein Volksbegehren initiierte. Dieses Volksbegehren machte der Nationale Wahlrat Anfang Mai unmöglich, indem er die Unterschriften ganz massiv diskreditierte. Mit welcher Konsequenz? Nachdem der Nationale Wahlrat öffentlich bekannt gab, dass die eingereichten Unterschriften für ein Referendum nicht ausreichten, dauerte es nur noch ein paar Tage, bis die Umweltlizenz verabschiedete wurde. Anhand der Schnelligkeit, in der die Lizenz verabschiedet wurde und anhand ihres Textes wird deutlich, dass schon viel früher daran gearbeitet und lediglich mit der öffentlichen Verabschiedung gewartet wurde, bis die Initiative des Volksbegehrens erstickt wurde.
Warum werfen die YASunidos dem Nationalen Wahlrat Betrug bei der Prüfung der Unterschriften vor?
Aus vielen Gründen. Beispielsweise war die Diskreditierung von über 30 Prozent der Unterschriften nicht rechtmäßig, weil diese aus rein formalen Gründen zurückgewiesen wurden, also beispielsweise, weil ein Papier fünf Millimeter kleiner als DIN A4 war. Eine unabhängige Kommission von der Politisch-Technischen Universität Quito ist mittlerweile zu dem Ergebnis gekommen, dass die YASunidos rund 680 000 gültige Unterschriften eingereicht haben. Damit hätte das Volksbegehren nicht abgewiesen werden dürfen, denn unsere Verfassung verlangt 584 000 Unterschriften.
Wie wird es nun mit dem Protest gegen die Erdölförderung weitergehen?
Momentan gehen wir rechtlich gegen den Nationalen Wahlrat vor und fechten seine Ergebnisse an. Hierbei machen wir Gebrauch vom habeas data. Dies ist ein individuell einklagbares Recht, von staatlichen Stellen Auskunft über dort gespeicherte persönliche Daten zu erhalten. Im nächsten Schritt kann dann die Berichtigung der Daten gefordert werden.
Haben Sie noch Hoffnung, die Erdölförderung im Yasuní doch noch zu stoppen?
Die Lage ist höchst kompliziert. Unsere Regierung hat uns gezeigt, dass sie die Erdölförderung um jeden Preis durchsetzten will. Und dieser Wille ist auch nicht unbegründet. Es gibt einen riesigen Druck auf die Regierung, unsere natürlichen Ressourcen auszubeuten. Dies hat auf der einen Seite mit neuen Mächten zu tun, wie Unternehmer, die vom Rohstoffabbau abhängig sind und Einfluss auf unsere Regierung ausüben. Auf der anderen Seite ist unsere Regierung schon internationale Verpflichtungen eingegangen, die die Ausbeutung des Erdöls anheizen. Erdöl ist noch immer der meistgefragte natürliche Rohstoff und die hegemonialen Länder, die neuen wie die alten, haben eine richtige Gier nach Erdöl.
Ein neuer Hegemon ist China, bei dem Ecuador etliche Schulden und versprochen hat, einige davon direkt mit Erdöllieferungen zu bezahlen. Neben diesem Druck, der auf die Regierung ausgeübt wird, gibt es aber einen großen zivilen Rückhalt für die Bewahrung des Yasuní. Deshalb denke ich, dass wir den Kampf noch gewinnen können. Es ist natürlich ein Kampf, bei dem es nur bergauf geht. Das war schon vor sieben Jahren so ein Bergauf-Kampf, als die Zivilgesellschaft für die Bewahrung des Yasuní kämpfte und die Regierung daraufhin die Yasuní-ITT-Initiative ausrief. Dieser Kampf ist bisher unglaublich erfolgreich verlaufen. Ohne ihn würde der Yasuní jetzt schon seit langem ausgebeutet.
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