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Falsche Rechnungen oder falsche Vorwürfe?

Krankenkassen beanstanden Abrechnungen der Krankenhäuser in der Hälfte aller Fälle

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund jede zweite Krankenhausabrechnung ist falsch, melden die Krankenkassen. Sie beziffern den Gesamtschaden auf 2,3 Milliarden Euro. Die Krankenhäuser weisen die Vorwürfe als unzutreffend zurück.

Empört reagierte gestern die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) auf Vorwürfe der gesetzlichen Krankenkassen, jede zweite Rechnung, die ihnen von einer Klinik präsentiert werde, sei falsch. Davon könne überhaupt keine Rede sein, so DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Richtig sei vielmehr, dass bei circa 18,6 Millionen jährlichen Behandlungsfällen mehr als 95 Prozent der Klinikrechnungen unbeanstandet bleiben. Was ist nun richtig?

Die Krankhäuser bzw. deren Finanzierung sind nicht erst seit gestern ein Streitpunkt zwischen Kassen, Kliniken und Politik. Die stationäre Behandlung verschlingt den größten Teil der Krankenkassenmittel, mehr als 66 Milliarden Euro. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die Krankenkassen prüfen, was ihnen da für ihre Patienten in Rechnung gestellt wird. Natürlich kontrollieren sie nicht alle Rechnungen, sondern nur jene, bei denen sich auf den ersten Blick eine Auffälligkeit ergibt. Das ist übrigens gesetzlich gefordert und keine Schikane der Kassen. Etwa zwölf Prozent aller Abrechnungen werden von ihnen letztlich gründlich unter die Lupe genommen. Und genau von diesen war die Hälfte aus Sicht der Kassen falsch. Diesen Fakt nehmen die Kassen nun zur Grundlage für ihre Hochrechnung. Nach der sind folglich die Hälfte aller Klinikrechnungen zu beanstanden. Würden die rund 2000 Kliniken richtig abrechnen, könnte der Beitragssatz in der Krankenversicherung, der derzeit bei 15,5 Prozent liegt, um 0,2 Punkte sinken, schlussfolgern manche Beobachter gleich kühn.

Ergibt die Prüfung, dass eine Abrechnung tatsächlich fehlerhaft war, muss die Klinik den zu viel erhaltenen Betrag zurückzahlen. Die Kassen ihrerseits müssen dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zahlen, wenn sich eine geprüfte Rechnung letztlich als korrekt erweist. Die Krankenkassen fordern seit langem zusätzliche Sanktionen für die Kliniken bei fehlerhaften Abrechnungen. Die Kliniken ihrerseits führen mangelnde Kompetenzen auf Seiten der Kassen an, die zur Folge hätten, dass medizinisch richtige Entscheidungen angezweifelt würden. Bisher konnten sich Kassen und Krankenhäuser nicht einig werden, wie diese Prüfungen künftig vonstatten gehen sollten. Ehe eine Schiedsstelle eine Lösung für das Problem findet, mit der beide Seiten leben können, wird es vermutlich noch eine Weile dauern.

Gesundheitsexperte Harald Weinberg von der Fraktion der LINKEN im Bundestag glaubt, es gehe den Kassen nur darum, die Krankenhäuser noch knapper zu halten. Viele Rechnungen seien strittig, weil medizinische Erwägungen direkt auf ökonomische Forderungen träfen. Nähme man den Krankenhäusern jene 2,3 Milliarden Euro, um die sich die Kassen betrogen sehen, müssten viele Krankenhäuser ganz schließen. »Das kann nicht die Lösung sein, denn dieser Schaden wäre deutlich größer«, meint Weinberg. Er macht einerseits das hochkomplexe Abrechnungssystem für Falschabrechnungen verantwortlich und andererseits den Wettbewerb der Kliniken untereinander sowie die Gewinnerwartungen der privaten Krankenhauskonzerne. Die würden Falschabrechnungen geradezu provozieren. Mehr Kontrollen und Sanktionen, wie die Kassen sie fordern, würden mehr Bürokratie bedeuten und Geld kosten, das zur Versorgung der Patienten gebraucht wird.

Die Finanzierung der Krankenhäuser ist immer wieder Gegenstand politischer Debatten, weil die Kliniken ständig Geldforderungen erheben, denen die Kassen nicht nachgeben wollen. Sie werfen den Bundesländern vor, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu Klinikinvestitionen immer weniger nachzukommen und den Krankenhäusern, mit überflüssigen Eingriffen ihre Bilanzen zu verbessern und den Patienten zu schaden. Außerdem machten die Kliniken ihre Arbeit nicht transparent.

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