Wenn der Acker wegschwimmt
Bundesbehörde warnt vor Bodenerosion durch Starkregen - Gefahren besonders bei Mais-Monokultur
Beim Unwetter zu Pfingsten ergoss sich eine Schlammlawine in das Dorf Messinghausen im Hochsauerland. Schlimm hatte auch »Annetraut« Ende Mai in Meißen gewütet. Das Tief mit dem wohlklingenden Namen ließ dort Starkregen prasseln, der Ackerboden in Schlamm verwandelte und ihn durch mehrere Straßen der sächsischen Stadt schob. Doch nicht nur in ihrer Nähe drohen kräftige Wolkenbrüche landwirtschaftlich genutztes Erdreich wegzuspülen. Dies besagt eine aktuelle Karte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Sie warnt: Etwa ein Drittel der deutschen Ackerfläche, vor allem in Hanglagen, ist durch Erosion infolge extremen Niederschlags gefährdet.
Sehr hoch ist diese Gefahr im niedersächsischen Mittelgebirge, in hügeligen Regionen Sachsens und des Erzgebirges, an Neckar und Tauber sowie im unterbayerischen Hügelland. Millionenschäden durch Erosionen seien immer wieder zu beklagen, mahnt die BGR. Jährlich würden in Deutschland durchschnittlich bis zu 20 Tonnen Boden pro Hektar abgespült. Auch für Veränderungen im Wasserhaushalt der Böden seien solche Erosionen verantwortlich. Sie werden als entscheidende Ursache für immer häufiger auftretende Hochwasserlagen angesehen.
»Das Problem abgeschwemmten Ackers ist nicht neu«, sagt Klaus Kruse, Bodenexperte der BGR. Einst hätten viele Menschen durch solche Ereignisse ihre Lebensgrundlage verloren. Heutzutage könne man vorbeugen. Das beginne schon bei der Richtung, in der die Bauern beim Bewirtschaften fahren. »Quer zum Hang, parallel zur Höhenlinie ist richtig«, betont Kruse. Traktorspuren in Hangrichtung dagegen beschleunigten den Wasserfluss und damit das Wegspülen des Bodens.
Erosionsfördernd sei jede Feldbestellung, die dem Regen eine relativ große Angriffsfläche biete. Dies gelte vor allem für den Maisanbau: »Er nimmt er auch an Hanglagen leider ständig zu,« so Kruse. Die Pflanzen sind zur typischen Starkregenzeit noch klein, stehen weit auseinander - viel Boden bleibt unbedeckt. »Wenn schon Mais am Hang angebaut wird, dann sollte der Landwirt zwischen den Ackerflächen schützende Grasstreifen anlegen«, empfiehlt der BGR-Experte. Das Grün bremst den Abfluss des Wassers.
Der wirtschaftliche Verlust durch Erosion für den betroffenen Landwirt ist von Fall zu Fall schwer zu beziffern. Die Landwirtschaftskammer in der österreichischen Steiermark, wo besonders viel an Hängen angebaut wird, hat errechnet: Bei einem Bodenabtrag von nur fünf Millimetern summieren sich die Kosten allein durch den Verlust von Stickstoff, Phosphor, Kalium und Humus auf rund 800 Euro pro Hektar.
»Mit richtiger Bodenbewirtschaftung können wir der Erosionsgefahr gut begegnen«, bekräftigt der Präsident des Landvolks Niedersachsens, Werner Hilse, im Gespräch mit »nd«. »Wir wenden doch heute moderne Techniken an, die den Boden so wenig wie möglich belasten«, so der Chef des Landesbauernverbands. Das geschehe beispielsweise bei der Mulchsaat. Dabei öffnet ein Ackergerät den Boden nur so weit, wie es unbedingt erforderlich ist. Das Erdreich wird nicht wie beim Einsatz eines Pfluges gewendet.
»Ganz wichtig zum Verhindern von Erosionen ist die ganzjährige Bedeckung der Böden«, unterstreicht Eckehard Niemann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Dieses Ziel könne der Bauer erreichen, wenn er nach der jeweiligen Hauptkultur geeignete Zwischenfrüchte auf seinem Acker hat. Pflanzenreste, die stehen bleiben. Liegen gelassenes Stroh habe ähnlichen Effekt. »Geradezu verheerend ist das Umbrechen von Grünland in erosionsbedrohten Gebieten«, mahnt Niemann.
Je mehr Vegetation, desto weniger Erosionsgefahr: Diesen Grundsatz vertritt auch Ingo Valentin, Bodenschutzexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Eine ausgewogene Fruchtfolge sei vonnöten, »nicht nur Mais, Mais, Mais!« Eine nicht zu unterschätzende umweltschädigende Folge der Erosion ist laut Valentin auch der Eintrag von Pflanzenschutzmitteln und Dünger in Oberflächengewässer. Dass die BGR jetzt die gefährdeten Regionen aufzeige, sei ein zu begrüßender Fortschritt.
Zu finden ist die Karte im Internet unter www.bgr.bund.de.
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