Radikal und zunehmend einsam

Die NPD beendet die Taktik der »seriösen Radikalität« und bringt sich damit in eine schwierige Lage

  • Carsten Hübner
  • Lesedauer: 4 Min.
Unverändert offensiv scheint die NPD zu agieren. Tatsächlich befindet sie sich - ebenso unverändert - aber in tiefen Problemen.

Die NPD gibt derzeit ein äußerst widersprüchliches Bild ab. Während sie auf Bundesebene spürbar an Bedeutung verliert und bei der Europawahl am 25. Mai 2014 gerade ein Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, ist es ihr gelungen, sich bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen zu behaupten. In einzelnen Landstrichen Sachsens, Thüringens und Brandenburgs legte die Rechtsaußenpartei sogar weiter zu. Hier finden in den kommenden Monaten Landtagswahlen statt.

Professor Torsten Oppelland, Parteienforscher an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, geht deshalb davon aus, dass sich in Teilen Ostdeutschlands inzwischen eine rechtsextreme Stammwählerschaft herausgebildet hat, wenngleich auf niedrigem Niveau. Dieses Klientel mache sein Kreuz nicht aus Protest bei der NPD, sondern aus Zustimmung zu ihren politischen Positionen und Sympathien für das lokale Personal, so Oppelland. Eine Einschätzung, die auch der sächsische Verfassungsschutz teilt. Für den Freistaat rechnet er derzeit mit einer NPD-Stammwählerschaft um die drei Prozent.

Tatsächlich unterscheiden sich die Wahlergebnisse der NPD in ihren lokalen und regionalen Hochburgen deutlich von ihren landes- und bundesweiten Ergebnissen. Während sie in einzelnen Gemeinden, Städten und Kreisen bis zu einem Viertel der Stimmen auf sich vereinen konnte, lagen ihre Ergebnisse auf Landesebene bei der Bundestagswahl 2013 und der Europawahl 2014 überall bereits deutlich unter fünf Prozent. In Thüringen erreichte sie bei der Bundestagswahl 3,2 Prozent und bei der Europawahl 3,4 Prozent, in Brandenburg jeweils 2,6 Prozent. In Sachsen wiederum, wo die NPD seit zwei Legislaturperioden in Fraktionsstärke im Landtag vertreten ist, kam sie auf 3,3 bzw. 3,6 Prozent. Der bundesweite Zuspruch fiel noch geringer aus: bei der Bundestagswahl waren es 1,3 Prozent, bei der Europawahl reichte es, trotz Wegfall der Sperrklausel, sogar nur für ein Prozent.

Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst ist damit offen, ob die NPD überhaupt in einem der drei Länder den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen wird. Es klingt deshalb wie das Pfeifen im Walde, wenn der Parteivorstand in einer aktuellen Wahlauswertung meint, die kommunale Basis »sei der wirkliche Gradmesser für die Verwurzelung und Akzeptanz einer politischen Bewegung«.

Parallel mit dieser Orientierung vollzieht sich derzeit eine (Re-)Radikalisierung der NPD, die es ihr bei Wahlen zusätzlich schwierig machen dürfte. Denn seit dem ominösen Ämterverzicht des langjährigen sächsischen Fraktionsvorsitzenden und zwischenzeitlichen Parteichefs Holger Apfel, der sich nun als Wirt auf der Ferieninsel Mallorca verdingt, hat der rechte Parteiflügel unter Udo Pastörs das Heft des Handelns wieder fest in der Hand. Die von Apfel unter dem Motto »Seriöse Radikalität« propagierte Hinwendung zu einem weiter gefassten bürgerlichen rechten Lager dürfte damit beendet sein.

Mit der Formierung der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) und ihrem vergleichsweise guten Abschneiden bei der Bundestags- und der Europawahl erwächst für die NPD eine wahlentscheidende Konkurrenz. Zwar ist nicht zu erwarten, dass es der AfD gelingt, nennenswert in die NPD-Stammwählerschaft einzubrechen. Gleichwohl stellt sie eine erfolgversprechende Alternative für das rechte Bürgertum und das Spektrum der Protestwähler dar. Genau auf dieses Potenzial war die NPD aber bisher angewiesen, um in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu gelangen bzw. in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern einzuziehen.

Die NPD steckt damit in einem strategischen Dilemma. Zur Profilierung und mit Rücksicht auf ihre Mitglieder und die Stammwählerschaft muss sie sich deutlich rechts von der AfD positionieren. Gleichzeit wird ihr genau dieser Kurs die entscheidenden Wählerstimmen kosten, um zumindest auf Landesebene erfolgreich zu sein.

Damit vollzieht sich auch am rechten Rand Deutschlands ein Stück europäischer Normalität. Während, von Ausnahmen wie Griechenland oder Ungarn abgesehen, eine rechtspopulistisch auftretende extreme Rechte immer erfolgreicher wird und bis in die Mitte des politischen Mainstreams vordringt, wird der traditionalistisch auftretende, zum Teil mit militanten Bewegungen verwobene Rechtsextremismus bei Wahlen weiter marginalisiert. Ein gutes Beispiel ist Großbritannien. Während die neofaschistische British National Party bei der Europawahl beide Mandate verlor und von 6,3 auf 1,1 Prozent zurückfiel, schnellte die rechtspopulistische UKIP von 16,6 auf 26,6 Prozent.

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