Über den Kiez hinaus

Ein neues Buch stellt Ansätze für Organisierung im Stadtteil vor, die aufs Ganze zielen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Über gewerkschaftliche Organizing-Konzepte wurde in den letzten Jahren viel diskutiert. Organisierung kann aber auch im Stadtteil stattfinden. Der Berliner Politikwissenschaftler Robert Maruschke liefert nun eine gut lesbare Einführung in Geschichte, Theorie und Praxis dieses »community organizing«, das soziale Bewegungen in den USA entwickelt haben. Er grenzt sich dabei von liberalen Ansätzen wie etwa Bürgerplattformen ab, die nicht »von unten« wachsen, sondern die Bewohner in bestehende Strukturen einbinden sollen. Kritischer als andere Linke sieht er auch den amerikanischen Pionier der Stadtteilorganisierung, Saul Alinsky. Dieser propagiere zwar konfrontative Aktionsformen, stelle aber »Staat und Kapital« nicht in Frage und distanziere sich überdies von linken Gruppen, kritisiert Maruschke.

Statt dessen wirbt Maruschke für ein transformatorisches Organizingkonzept, das er bei einem Aufenthalt in den USA kennengelernt hat. Es hat zum Ziel, kapitalistische Strukturen zu überwinden, »revolutionär« zu sein. Dass die Praxis diesem Anspruch nicht immer entspricht, wird in dem Buch nicht verschwiegen. So betonen zwar viele transformatorische Organizinggruppen, nicht mit Repräsentanten von etablierten Organisationen zusammenzuarbeiten, beteiligten sich aber dennoch an der Wahlkampagne für Präsident Obama.

Im letzten, etwas kurz geratenen Kapitel behandelt Maruschke die Frage, wie sich Stadtteilorganizing auf Deutschland übertragen lässt. Positive Beispiele sieht er bereits, etwa in Berlin die Initiativen »Kotti & Co« sowie die Kampagne gegen Zwangsräumungen. Bei einer Veranstaltung in der Hauptstadt diskutierte Maruschke vor wenigen Tagen über Community Organizing als Modell für den Mieterkampf. Aus seiner Sicht kommt es nicht darauf an, nun alle mietenpolitischen Auseinandersetzungen mit einem neuen Label zu versehen. Doch die Initiativen könnten von dem Konzept lernen, dass eine langfristige Basisarbeit nötig sei. Dabei sei es für die Gruppenmitglieder wichtig, sich über ihre unmittelbare Alltagsarbeit hinaus mit der Geschichte sozialer Bewegungen sowie der kapitalistischen Gesellschaft auseinanderzusetzen. Das sei Voraussetzung für eine gesellschaftliche Praxis, die über das Bestehende hinausweist.

Robert Maruschke: Community Organizing - Zwischen Revolution und Herrschaftssicherung, Edition Assemblage, Münster 2014, 110 S., 9,80 €.

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