WM-Eldorado für die deutsche Wirtschaft
Konzerne von Siemens bis ThyssenKrupp profitieren vom milliardenschweren Stadion- und Infrastrukturausbau in Brasilien
Wenn Arjen Robben, der Ausnahmestürmer vom FC Bayern München, in Porto Alegre nach dem WM-Spiel der Niederländer gegen Australien unter der Brause steht, wird er sich wie »dahoam« fühlen können: Die Duschanlage kommt wie in vielen deutschen Stadien aus dem Schwarzwald von der Hansgrohe SE. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft stattet die 1901 in Schiltach gegründete, weltweit tätige Familienfirma die Spielstätten in Curitiba und eben Porto Alegre aus.
»Viele Konzerne wollen direkt oder indirekt an der Fußball-Weltmeisterschaft mitverdienen«, sagt Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionäre in Köln. Brasilien gibt umgerechnet mehr als zehn Milliarden Euro für das Großereignis aus. Sportlich nimmt es daher auch Siemens: Das neue Nationalstadion »Mané Garrincha« in Brasília gilt dem deutschen Multi als »modernste und nachhaltigste Sportarena Lateinamerikas« - dank Gebäudetechnik von Siemens. Die Münchner lieferten Automatisierungssysteme, die Wasser und Strom steuern, Klimaanlagen, Brandmelder und - in einem Land mit tiefen sozialen Gegensätzen besonders wichtig - Alarmanlagen sowie Sicherheitssysteme.
Auch ThyssenKrupp setzt auf WM-Infrastruktur. Dabei haben die Essener seit 2010 bei der Errichtung eines Stahlwerks in der Bucht von Sepetiba nach Auffassung von Nichtregierungsorganisationen ein ökonomisches, ökologisches und soziales Desaster angerichtet. Doch die brasilianische Filiale der »ThyssenKrupp GfT Bautechnik« ist in Rio de Janeiro ansässig, um »Bautechnik in Südamerika made by ThyssenKrupp« zu realisieren. Allerdings wurden längst nicht alle Blütenträume wahr: Von den ursprünglich 81 Verkehrsprojekten der brasilianischen Regierung wurden nach Medienberichten nur 15 fertiggestellt. Viele Vorhaben wurden auf die lange Bank geschoben oder ganz gestrichen.
Auch Siemens lernte die Schattenseiten des Erfolgs kennen. Wegen Schmiergeldzahlungen wurde der Konzern für öffentliche Ausschreibungen gesperrt. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit hatte ein brasilianisches Gericht im Januar die Sperre bestätigt. Vor Ort beschäftigt der Konzern fast 8000 Menschen und beliefert vor allem private Stromkonzerne und Ölfirmen.
Seit 2007 besteht eine »strategische Partnerschaft« zwischen Brasilien und der EU. Für deutsche Firmen ist das Land der wichtigste Handelspartner in Lateinamerika. Exporten in Höhe von 11,7 Milliarden Euro stehen Importe hauptsächlich von Getreide, Kaffee und Eisenerzen von 10,6 Milliarden Euro gegenüber. Gewichtiger ist die Produktion vor Ort: Rund 1400 deutsche Unternehmen arbeiten in Brasilien, vor allem in den klassischen Erfolgsbranchen Auto, Chemie und Maschinenbau. Bundesdeutsche Unternehmen machen zehn Prozent des industriellen Bruttoinlandsprodukts Brasiliens aus, schätzt die Handelskammer in São Paulo. Auch für Banken und Anleger ist das Schwellenland trotz vieler Probleme und nur noch geringem Wachstum weiterhin interessant. Die staatliche KfW-Bank in Frankfurt am Main lockt internationale Finanzinvestoren mit Anleihen in der brasilianischen Währung Real. Dafür gibt es zehn Prozent Zinsen - so viel wie für keine andere Anleihe.
So plant auch die Commerzbank ihre erste Filiale am Zuckerhut zu eröffnen - nach der Fußball-WM. Über die Weltmeisterschaft hinaus denkt ebenso der Vorstand von ThyssenKrupp. Im Februar wurde mit dem Bau eines neuen Automobilzulieferwerks für Zylinderköpfe im Bundesstaat Minas Gerais im Süden begonnen. »Die Errichtung unseres neuen Werks ist ein Baustein in unserer globalen Wachstumsstrategie«, betont Vorstand Karsten Kroos. »Dabei folgen wir unseren Kunden in die Wachstumsmärkte.« Deutschlands Firmen glauben (noch) an das Eldorado in Brasilien.
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