Keine Spur von drei jungen Israelis, aber 80 Verhaftungen
Große Suchaktion im Westjordanland und Razzia vor allem bei Hamas-Funktionären
Noch drei Gilad Schalits? Immer wieder äußern Israels Medien in diesen Tagen die Befürchtung, dass sich der Fall des jungen Soldaten, der sich Jahre lang in der Hand der Hamas im Gazastreifen befand, wiederholen könnte. Drei weitere Ofir Rahums? Abrupt sind in der Öffentlichkeit Erinnerungen an den 16-jährigen Jungen wach geworden, der 2001 über das Internet nach Ramallah gelockt worden und dort mit 15 Schüssen getötet worden war.
Die Medien des Landes berichten nahezu ohne Pause jedes Detail über das Verschwinden von drei israelischen Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren. Dafür unterbrachen sie auch die Fußballübertragungen und die Schabbath-Ruhe. Doch es wird immer wieder darauf verwiesen, dass Regierung und Sicherheitsorgane versuchen, den Informationsfluss zu steuern.
Im Grunde ist kaum etwas bekannt - weder der Öffentlichkeit noch den Sicherheitskräften - außer: Die drei jungen Männer, von denen einer in einer Siedlung nördlich von Jerusalem wohnt, während die beiden anderen aus dem Kernland stammen, wurden das letzte Mal am Donnerstagabend an einer Anhalterstation außerhalb des Siedlungsblocks Gusch Etzion südlich von Jerusalem gesehen. Dort warteten sie auf Fahrer, die sie in Richtung Stadt mitnehmen. Das Fahren per Anhalter ist für Israelis eine normale Form der Fortbewegung. Die Busverbindungen außerhalb der Städte sind schlecht, man ist auf Autofahrer angewiesen.
Es folgte eine gigantische Suchaktion. An die 2000 Soldaten und nahezu der gesamte Inlandsgeheimdienst Schin Beth suchen nach den drei Jugendlichen, die an Religionsschulen im Westjordanland studieren. Bei einer Razzia am Sonntagmorgen wurden rund 80 Palästinenser, darunter viele Hamas-Funktionäre festgenommen. Auch jordanische und ägyptische Sicherheitskräfte sind beteiligt. Damit die drei nicht über die Grenze geschafft werden können, verstärkten die beiden Länder dort ihre Präsenz.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sieht die Ereignisse trotz der dürftigen Informationslage als Bestätigung für seine kategorische Ablehnung der mit Unterstützung der Hamas gebildeten palästinensischen Einheitsregierung. »Unsere Kinder sind von einer Terrororganisation entführt worden«, sagte er Journalisten am Sonntag und ließ keinen Zweifel, dass er die Hamas meinte, ohne sie beim Namen zu nennen.
Sprecher der Organisation wiesen eine Beteiligung indes zurück. Auch die palästinensische Regierung lehnt eine Mitverantwortung ab. Dort verweist man auf einige Details, die sowohl Israels Regierung als auch Sicherheitskräfte und Militär nicht offen ansprechen. Die drei Jugendlichen wurden das letzte Mal in jenen Teilen des Westjordanlandes gesehen, die sich komplett unter israelischer Kontrolle befinden. Palästinensische Sicherheitskräfte dürfen sich dort nicht aufhalten. Und es war Israels Regierung, die im April als Reaktion auf die palästinensische Weigerung, die Verhandlungen fortzusetzen, die Zusammenarbeit mit der palästinensischen Regierung auf ein Minimum zurückfuhr.
Israels Regierung hält dem entgegen, die Täter stammten aus den Gebieten unter palästinensischer Kontrolle. Sie sagt aber auch, man wisse nicht, wer die Täter seien und wo sie sich aufhielten. Am späten Sonntagnachmittag begann Israels Militär damit, Hebron hermetisch abzuriegeln. Mit Betonblöcken wurden alle Zufahrtsstraßen abgesperrt, die von Palästinensern genutzt werden dürfen.
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