Die dunkle Seite des Menschlichen

Von Klimmzügen, Kriminellen und der Macht der Bilder

  • Lesedauer: 4 Min.

Er wurde als zweites Kind eines Gießereiarbeiters und einer Näherin geboren, deren Interessen vor allem auf musischem Gebiet lagen. Die ersten Eindrücke seines Lebens schilderte er später wie folgt: »Ich lag in einem dunklen Raum. Es war sehr kalt. Eine große, volle Lichterscheinung sah ich und hörte die dunklen, dröhnenden Klänge einer Orgel.« Da seine Mutter zeitweise in einer Porzellanfabrik arbeitete, kümmerte sich eine Kinderfrau um ihn. »Es war ein rotblondes, üppiges Mädchen, und zum ersten Mal packte mich das Erstaunen darüber, was Mädchen doch für einen dicken Hintern haben.«

Bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte er die Volksschule. »Nur im Turnen war ich recht schwach«, schrieb er in seinen Erinnerungen, »und habe nie einen Klimmzug fertiggebracht.« Da ihm der Zeichen- und Malunterricht besonders viel Spaß machte, absolvierte er nach der Schule eine Lehre als Dekorationsmaler. Doch sein Meister war mit seiner Arbeit keineswegs zufrieden, sondern teilte ihm rundheraus mit: »Du wirst nie ein Maler, Du bleibst ein Schmierer!«

Dank eines Stipendiums, das ihm sein Landesherr gewährt hatte, konnte er an der Kunstgewerbeschule in Dresden studieren. Während dieser Zeit wurde er sowohl vom Impressionismus als auch vom aufkommenden Expressionismus beeinflusst. Darüber hinaus fing er an, mit kubistischen und futuristischen Formen zu experimentieren.

Auf der Suche nach neuen Eindrücken wanderte er durch Böhmen und Mähren und unternahm mit 22 Jahren zwei Studienreisen, die ihn nach Österreich und Italien führten. Dann unterbrach der Erste Weltkrieg seine Karriere. Er meldete sich freiwillig an die Front und kam als MG-Schütze sowohl in Frankreich als auch in Russland zum Einsatz. Im Verlauf des Krieges wurde er mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet und zum Vizefeldwebel befördert.

Nach Kriegsende kehrte er zurück nach Dresden und studierte an der Akademie für Bildende Künste. Parallel dazu war er als freischaffender Maler tätig, der in seinen Bildern nicht nur das Grauen des Krieges in schonungsloser Offenheit thematisierte, sondern auch die dunklen Seiten der Weimarer Gesellschaft: Hunger, Elend, Prostitution, Kriminalität.

Nach dem Verlust seines Dresdner Freiateliers ging er nach Düsseldorf. Er heiratete hier die ehemalige Frau eines Freundes und siedelte zwei Jahre später nach Berlin über, wo er wegen seiner sozialkritischen Arbeiten vor allem in rechtsnationalistischen Kreisen verhasst war. In der Spätphase der Weimarer Republik lehrte er als Professor an der Dresdner Kunstakademie und wurde zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Künste ernannt.

Kurz nach der Machtübernahme der Nazis verlor er als einer der ersten Kunstprofessoren seine Lehrerlaubnis - »wegen Verletzung des sittlichen Gefühls und Zersetzung des Wehrwillens des deutschen Volkes«. Er durfte nicht mehr ausstellen und ließ sich, um weiteren Anfeindungen zu entgehen, in Süddeutschland nieder, wo er vor allem Landschaften malte. Am Ende des Krieges wurde er zum Volkssturm eingezogen und geriet in französische Gefangenschaft. Erst nach Monaten kam er wieder frei.

Obwohl ihm der sozialistische Realismus ebenso fremd blieb wie die abstrakte Nachkriegsmoderne, wurde er nach 1945 in Ost und West hoch geehrt. Regelmäßig verließ er sein Atelier am Bodensee und fuhr zu längeren Arbeitsaufenthalten nach Dresden. Hier erhielt er unter anderem den Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis. Einige Kulturfunktionäre wagten es überdies, ihn für den Nationalpreis der DDR vorzuschlagen. Ihr Bemühen scheiterte allerdings.

Nach einer Urlaubsreise erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich zumindest teilweise erholte. Er konnte sogar vorübergehend wieder arbeiten. Dann jedoch setzte ein zweiter Schlaganfall seinem Leben ein Ende. Er wurde 77 Jahre alt.

Wer war’s?

Für drei Gewinner dieser Folge stellt aufbau den Roman von Daniel Friedman »Der Alte dem Kugeln nichts anhaben konnten« zur Verfügung.
Einsendeschluss: 8. Juli (Poststempel)

Die Lösung

Die Puppenmacherin, nach der wir letztes Mal fragten, war: Käthe Kruse.

Gewonnen haben:
Dorothea Giese, Böhmehof;
Hans Krause, Mühlenbeck;
Otto Philipp, Rostock.

Die Gewinner sind mit der Veröffentlichung einverstanden.

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