Chance zur Aufklärung

Ines Wallrodt über den Stuttgart-21-Prozess

So zynisch es klingen mag: Die zerschossenen Augen von Dietrich Wagner haben vielen Bürgern die Augen geöffnet, egal, wie sie vorher zur Frage Kopf- oder Tiefbahnhof in Stuttgart standen. Viele hätten die Härte nicht für möglich gehalten, mit der die Polizei auch hierzulande - nicht nur in Istanbul oder Moskau - gegen friedliche Demonstranten vorgeht. Ohne Grund hat die Staatsgewalt in Stuttgart die Gesundheit von Menschen gefährdet, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen - für nichts als ein schnödes Bauprojekt, allein, um den ungehorsamen Untertanen zu zeigen, wer Herr im Land ist. Diese Erfahrung hat Menschen politisiert und ein gesundes Misstrauen wachsen lassen, wenn anderswo wieder die Rede von gewaltsamen Ausschreitungen von Demonstranten ist, gegen die die Polizei vorgehen musste.

Das Gericht hat nun die Chance, einen Teil des Vertrauens wiederherzustellen. Dass überhaupt Anklage gegen leitende Polizeibeamte erhoben wurde, ist ein wichtiges Zeichen. Jetzt muss das Gericht noch beweisen, dass es ernsthaft herausfinden will, wer die Order für den Polizeieinsatz gab und welche Rolle die damalige Landesregierung spielte. Es darf nicht durchgehen lassen, was sich am ersten Prozesstag bereits andeutete: Dass einer dem anderen die Schuld zuschiebt und zum Schluss gar keiner mehr für die Wasserschüsse auf Augen, Gesicht und Köpfe verantwortlich ist.

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