Erinnerung an einen Unvergessenen

Das Jüdische Museum in Frankfurt am Main widmet dem früheren hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer eine Ausstellung

  • Rudolf Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Es zeugt von einer soliden Ignoranz, wenn die »FAZ« im Untertitel ihres Berichts zur Ausstellung: »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt«, meint, »der Ankläger in den Auschwitz-Prozessen ist weitgehend vergessen«. 2009 erschien die umfangreiche Biografie von Irmtrud Wojak und vor elf Jahren erinnerte man in Frankfurt mit einer umfangreichen und aufwendigen Ausstellung an den Beginn des Auschwitz-Prozesses 1963. Zum 50. Jahrestag des Prozesses publizierten Raphael Gross, der Direktor des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts und der wissenschaftliche Mitarbeiter Werner Renz 2013 eine 1400 Seiten umfassende Edition mit fünf wichtigen Quellen zum Auschwitz-Prozess. Im Internet zugänglich sind seither auch die erhaltenen Tonbandmitschnitte des Prozesses (auschwitz-prozess.de). Weitgehendes Vergessen sieht anders aus.

Dennoch ist die These der »FAZ« zum Teil richtig: Fritz Bauer (1903-1968) wird fast nur als Initiator des Auschwitz-Prozesses wahrgenommen. Dem will die Ausstellung im Jüdischen Museum gegensteuern. Sie präsentiert gleichsam den »ganzen« Bauer, den linken Sozialdemokraten, den ins Exil verjagten Amtsrichter und den Rückkehrer und seine Tätigkeit als Staatsanwalt in Braunschweig und Frankfurt.

Bauer, der 1903 als Sohn eines jüdischen Textilgroßhändlers in Stuttgart geboren wurde, kam bereits im März 1933 für etwas über ein halbes Jahr in KZ-Haft auf dem Heuberg bei Ulm. In diese Zeit fällt seine Entlassung aus dem Justizdienst aufgrund des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.« 1936 floh er ins Exil nach Dänemark, wo er mit einer 20-monatigen Unterbrechung, während der er vor den Nazis nach Schweden fliehen musste, bis 1949 blieb. 1938 konnte er seine Eltern nach Dänemark holen. Die Familie lebte praktisch mittellos in prekären Verhältnissen. 1938 wurde Bauer ausgebürgert und lebte fortan als Staatenloser. In Dänemark erhielt er eine immer wieder befristete Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung und schlug sich als Handelsvertreter mehr schlecht als recht durch. Dänemark hatte zwar 1933 homosexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen entkriminalisiert, verfolgte jedoch gnadenlos männliche Prostituierte. Bauer geriet in Verdacht, Beziehungen zu einem homosexuellen Prostituierten zu unterhalten. Die dänische Polizei überwachte ihn und unterwarf ihn peinlichen Verhören. Nach der Besetzung Dänemarks durch die deutsche Wehrmacht im April 1940 entzogen die dänischen Behörden Bauer die Aufenthaltsbewilligung und steckten ihn drei Monate in ein Lager. Zu seinem Schutz ging er 1943 eine Scheinehe mit der dänischen Kindergärtnerin Anna Maria Petersen ein.

Nach der Haft tauchte er im Oktober 1943 unter und lebte von der solidarischen Unterstützung durch dänische Genossen. Zusammen mit seiner Familie gelang ihm die Flucht nach Schweden, wo sich seine wirtschaftliche Lage dank einer Stelle als Archivgehilfe verbesserte. In Schweden betätigte er sich in politischen Flüchtlingsorganisationen und gab zusammen mit Willy Brandt, Bruno Kreisky u.a. die Zeitschrift »Sozialistische Tribüne« heraus, die für einen »freiheitlichen, demokratischen und humanistischen Sozialismus« eintrat. Erst 1949, kurz vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai, kehrte er nach Deutschland zurück, wo er zum Landgerichtsdirektor in Braunschweig und ein Jahr später zum Generalstaatsanwalt ernannt wurde.

Überregional bekannt wurde Bauer durch den Prozess gegen Otto Ernst Remer, einen ehemaligen Offizier, der als Sprecher der »Sozialistischen Reichspartei« den Widerstand gegen Hitler als Verrat und Eidbruch denunzierte. Bauer übernahm das Verfahren und erreichte nicht nur die Verurteilung Remers wegen übler Nachrede, sondern auch eine Rehabilitierung des Rechts auf Widerstand gegen ein diktatorisches Unrechtsregime.

Der Katalog und die Ausstellung dokumentieren alle wichtigen Stationen von Bauers Leben sowie seine Verdienste um eine humane Strafrechtsreform und um eine Zusammenarbeit mit DDR-Behörden bei der Verfolgung von Nazi-Verbrechen. Bonn blockierte jedoch eine solche Zusammenarbeit erfolgreich.

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. Jüdisches Museum Frankfurt am Main, bis 7. September. Katalog 29,90 €.

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