Dem bösen Leser auf der Spur
Ermittler verlangen vom »Darmstädter Echo« den Namen eines Online-Nutzers, der im »Echo«-Internetforum jemanden beleidigt haben soll
Darmstadt. Mit einem Durchsuchungsbeschluss haben Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei von den »Echo«-Zeitungen im hessischen Darmstadt die Herausgabe persönlicher Daten eines Internetforum-Nutzers verlangt. Die Daten seien am Ende übergeben worden, alles andere hätte die Tageszeitung und den Onlineauftritt gefährdet, hieß es am Mittwoch auf »Echo Online«. »Die Alternative wäre gewesen, dass man die Redaktion wirklich durchsucht und Hardware mitgenommen hätte«, sagte der stellvertretende Chefredakteur und Online-Chef Alexander Schneider. Das Medienhaus wolle gegen die Aktion Beschwerde einlegen.
Der Nutzer, der ein Pseudonym verwendete, soll in einem Kommentar Verwaltungsmitarbeiter der hessischen Gemeinde Mühltal beleidigt haben. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt bezeichnete das Vorgehen der Ermittler als verhältnismäßig und nicht übertrieben. Die Ermittler hatten nach eigenen Angaben bei dem Verlag zunächst die Daten des Nutzers angefragt. Weil das abgelehnt worden sei, sei beim Amtsgericht der Durchsuchungsbeschluss erwirkt worden.
Laut dem Online-Bericht wollte das Medienhaus die Daten unter anderem mit dem Verweis auf das Presserecht nicht herausgeben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft geht es aber nicht um einen Bereich der Zeitung. Es handele sich um Leserbeiträge, die nicht redaktionell aufbereitet würden.
»Wir stehen auch heute noch zu dieser Entscheidung«, wird Vize-Chefredakteur Schneider in dem Artikel zitiert. »Wir akzeptieren auf unserer Plattform weder Verleumdungen noch Beleidigungen. Nach einer Überprüfung sind wir auch bereit, grenzwertige Äußerungen zu beseitigen. Aber wir fühlen uns der Meinungsfreiheit verpflichtet und nehmen den Schutz der Daten unserer Leser sehr ernst.« Die Redaktion löschte dem Bericht zufolge den Kommentar, der tatsächlich als grenzwertig eingestuft worden sei.
Journalisten-Organisationen verurteilten das Vorgehen der Darmstädter Ermittler mit scharfen Worten. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union sprach von einem »ungeheuerlichen Vorgang«. Ein ähnlicher Fall bei der »Augsburger Allgemeinen« hatte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Die Polizei hatte bei dem Verlag die Daten eines Nutzers des Internetforums beschlagnahmt, auch hier ging es um den Vorwurf der Beleidigung. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.