Versuchtes Credo

»in der falle« - Texte von Benedikt Dyrlich

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Benedikt Dyrlich, 1950 in der Oberlausitz geboren, ist ein deutsch-sorbischer Dichter. Bekannt wurde er 1975 in der DDR mit dem Gedichtband »Grüne Küsse«. Er arbeitete am Sorbischen Volkstheater Bautzen, wurde 1990 SPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag und ist aktiv in der »Sorbischen Volksversammlung«. Seit Jahrzehnten schon engagiert sich Benedikt Dyrlich gegen die Zerstörung gewachsener Siedlungsräume der Lausitz durch den Braunkohlentagebau. Es ist eine Wunde in der Landschaft und in ihm selbst, die nicht heilt.

So viel sollte man wissen, wenn man die Texte dieses Autors liest, nicht nur, weil er im Buchtitel seinem Leben den Vorrang vor der Poesie gibt, sondern weil seine Dichtung in der sorbischen Heimat fest verwurzelt ist. Zu recht sagt die Grafikerin Ines Arnemann, sie habe von ihr »einen Impuls« empfangen, »der über die Zeit/Wende hinaus bis heute wirkt«. Diese Inspiration kommt in ihren starken Illustrationen zum Ausdruck. Viele der Texte drücken Bodenständigkeit und Verletzlichkeit zugleich aus, Verankerung in der sorbischen Geschichte und Sagenwelt ebenso wie Sehnsucht in Räume darüber hinaus.

Vor allem die Dichtung vor 1989 lebt von dieser inneren Spannung. Als Beispiel dafür sei ein Vers aus dem Gedicht »Kleines Credo« von 1984 zitiert: »Die andre Hälfte meiner Glieder/ Hängt sich an Vogelflügel/ Zieht über Brunnen Gruben Grenzen/ Nach Meeren unglaublicher Träume«. Nicht zufällig heißt die Zeile zuvor: »Der Mutter tiefer Born«. Frauen spielen eine große Rolle: die Mittagsfrau der sorbischen Sagenwelt, die Hexe, die im Maifeuer brennt, oder eben die Mutter. Im Gedicht »Meiner Mutter Sprache« von 1981 gibt sie »mal sammet weich mal hart« dem Schreibenden ein »Zwiegefühl«.

Bewusst reiht sich Dyrlich in die Tradition slawisch-sorbischer Dichter von Jakub Bart-Cisinski bis Jan Skala ein, die ihr Leben und ihre Poesie in den Dienst ihren Volkes gestellt hatten. Dass bei dem »Zwiegefühl« des jungen Dichters auch die Situation des Eingeschlossenseins in der DDR eine Rolle spielte, wird deutlich. Die besten dieser Texte haben aber eben doch Geltung über die »Zeit/Wende« hinaus.

Seine größten Stärken hat das Buch in der Prosa. Viele Texte scheinen an Kafka geschult und zu ganz eigenen, zuweilen skurrilen Inhalten weiter entwickelt zu sein. Dazu zählen »Die letzte Fahrt« von 1983 und »Angst vor dem Erblinden« von 1985, wo der Dichter in der Symbolfigur des »Pilgermanns« durch Finsternisse schreiten muss. »Die Schnitzkunst meines Vaters« von 1981 wirkt hier am Ende des Bandes wie eine Heimkehr. Der Vater war Holzbildhauer und schnitzte in »tausendjähriger Tradition« aus Lindenholz Grabkreuze. Bei jüngsten Gedichten, wie etwa »Ausklang« von 2013, scheint mir indes, als hätte sich Benedikt Dyrlichs Credo zu sich selbst und seiner Landschaft verflüchtigt und wäre nur noch als Erinnerung an »Mondbilder« erhalten, die »in die Schwarzbrühe« abgetaucht sind.

Benedikt Dyrlich: in der falle. Leben und Poesie vor und nach der Wende. Mit 20 Grafiken von Ines Arnemann und einem Vorwort von Dietrich Scholze. POP Verlag. 159 S., br., 17,80 €.

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