NSA-Quellcode belegt »Tor«-Ausspähung
Server für das Anonymisierungsnetzwer gezielt überwacht iund Verbindungsdaten gespeichert / Erlangener Student im Visier des US-Geheimdienstes: »schockierend«
Berlin. Bundesbürger, die sich mit Verschlüsselung im Internet beschäftigen, werden offenbar gezielt vom US-Geheimdienst NSA ausgespäht. Dies berichten NDR und WDR und verweisen auf einen geheimen Quellcode der NSA, anhand dessen nun in Deutschland Opfer der NSA-Überwachung namentlich identifiziert werden konnten - etwa der Erlangener Student Sebastian Hahn. Dieser befasse sich in seiner Freizeit mit Verschlüsselungstechnologie, heißt es, und betreibe einen Server für das Anonymisierungsnetzwerk Tor, mit dem Nutzer versuchen, ihre Spuren im Internet zu verwischen. In einem Teil des Quellcodes des Überwachungsprogramms XKeyscore, die NDR und WDR vorliegt, sei die IP-Adresse eines von Hahn betriebenen Servers als zu überwachendes Objekt genau definiert. »Das Ziel: Alle Nutzer, täglich Hunderttausende, die auf den von Hahn bereitgestellten Server zugreifen, werden von der NSA speziell markiert, ihre Verbindungen gespeichert«, so die Sender. Die NSA könne damit herausfiltern, »wer das Anonymisierungsnetzwerk benutzt« - diese Informationen würden dann in einer speziellen NSA-Datenbank landen.
Hahn sei »nach Angela Merkel das erste namentlich bekannte Opfer der NSA«. Er finde die Ausspähung »schockierend« und erklärte, weil er etwas Gutes tun wolle, gerate er »in den Fokus der Geheimdienste. Das ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre«. Das Anonymisierungsnetzwerk verhilft unter anderem Oppositionellen in Regimen dazu, untereinander zu kommunizieren. Neben der IP-Adresse von Sebastian Hahn findet sich noch eine weitere deutsche IP-Adresse, nämlich die des Chaos Computer Clubs. Der Fachanwalt für IT-Recht Thomas Stadler sieht einen »Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit«. Die Bundesanwaltschaft äußerte sich laut WDR und NDR nur allgemein: Sie prüfe alle Hinweise.
Wie die Sender weiter melden, könne durch den Quellcode »zum ersten Mal zweifelsfrei« belegt werden, »dass die NSA nicht nur so genannte Metadaten, also Verbindungsdaten, ausliest«. Werden E-Mails zur Verbindung mit dem Tor-Netzwerk genutzt, würden laut Programmier-Befehl auch die Inhalte, der so genannte E-Mail-Body, ausgewertet und gespeichert. Der Quellcode anthalte zudem »sowohl technische Befehle als auch Kommentare der Entwickler, die einen Einblick in die Gedankenwelt der NSA erlauben«. So würden alle Nutzer des Anonymisierungsnetzwerks mit »Extremisten« gleichgesetzt. Auf Anfrage teilt die NSA lediglich allgemein mit, man halte sich strikt an das Gesetz, und die »Privatsphäre und Bürgerrechte werden in der Computerüberwachung immer bedacht«. nd/mit Agenturen
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