Viele Tote bei Unfall in der Moskauer Metro
Drei Wagen entgleisten und verkeilten sich beim Umkippen ineinander
20 Tote und mehr als 100 Verletzte, ein Drittel davon in kritischem Zustand. Viele stehen unter Schock. Der Unfall am Dienstag ist der bisher schwerste in der über 70-jährigen Geschichte der Moskauer Metro. Dort waren gegen 8.40 Uhr Ortszeit drei Wagen eines Zugs entgleist und hatten sich beim Umkippen ineinander verkeilt. Bei der Evakuierung der rund 200 Fahrgäste mussten Rettungsteams Schneidbrenner einsetzen. Dabei ging wertvolle Zeit verloren. Fünf Schwerverletzte konnten erst drei Stunden nach dem Unfall geborgen werden, die Hilfe kam für sie schließlich zu spät.
Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Sicherheitsbestimmungen im Personenverkehr eingeleitet. Die Aufklärung dürfte schwierig werden, der wichtigste Zeuge - der Zugführer - ist unter den Toten und kann daher nicht mehr erklären, wieso sich plötzlich die Automatik für die Notbremsung einschaltete, die den Zug jäh zum Stehen brachte. Derzeit gehen die Ermittler von zwei Versionen aus: Rauchentwicklung, davon berichten Augenzeugen, die Fotos mit ihren Mobiltelefonen schossen und bereits in sozialen Netzwerken gepostet haben, oder Gegenstände auf den Gleisen. Anfangs war von einem Spanungsabfall in der Stromschiene die Rede.
Das Unglück ereignete sich auf der Linie drei, die auf Stadtplänen mit dunkelblauer Farbe markiert ist und mit über 730 000 Fahrgästen täglich zu den am meisten genutzten gehört. Auf dem betroffenen Teilstück wurde der Verkehr vollständig eingestellt. Frühestens am Mittwochabend sollen dort wieder Züge rollen. Bis dahin müssen die Menschen auf Busse oder Autos ausweichen. Auf den Ausfallstraßen Richtung Südwesten staute sich der Verkehr daher noch dramatischer als ohnehin gewöhnlich.
Die Moskauer Metro, die derzeit über ein Streckennetz von insgesamt 235 Kilometern mit 186 Stationen verfügt und jährlich rund 2,4 Milliarden Fahrgäste befördert, gehört zu den größten weltweit, gilt zudem als extrem zuverlässig und sehr sicher - trotz des teilweise in die Jahre gekommenen Wagenparks. Noch immer laufen Züge, die Ende der 1950er Jahre entwickelt und bis weit in die Siebziger gebaut wurden. Dennoch gab es bisher nur einen einzigen größeren, technisch bedingten Unfall. 1982 versagten die Bremsen einer Rolltreppe, unter dem Gewicht der Passagiere beschleunigte sie rasend bei der Fahrt in die Tiefe. Bei der Panik, die dadurch ausbrach, kamen acht Menschen ums Leben, Dutzende wurden schwer verletzt.
Kreml und Regierung versuchten damals, die Katastrophe zu vertuschen. Ebenso den ersten Terroranschlag, der sich schon 1977 - ebenfalls auf Linie drei - ereignete. Im abendlichen Berufsverkehr detonierte in einem voll besetzten Wagen im Moskauer Südosten eine Bombe, die vermutlich Extremisten aus dem Nordkaukasus gebastelt hatten. Auf deren Konto gehen auch die vier Anschläge zwischen 1996 und 2010, bei denen es insgesamt mehrere Dutzend Tote und Hunderte Verletzte gab.
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