EuGH: Abschiebehaft für Migranten im Gefängnis unzulässig
Bundesländer müssen spezielle Einrichtungen nutzen / Pro Asyl: EuGH-Urteil beendet rechtswidrige Vollzugspraxis
Luxemburg. Flüchtlinge müssen vor ihrer Abschiebung in speziellen Einrichtungen statt Gefängnissen untergebracht werden. Bundesländer, die das nicht leisten können, müssen die Betroffenen deshalb in anderen Ländern mit entsprechenden Möglichkeiten unterbringen, wie der Europäische Gerichtshofs (EuGH) in einem am Donnerstag in Luxemburg verkündeten Urteil entschied. Anlass waren Klagen von Abschiebehäftlingen in Hessen und Bayern, die gemeinsam mit gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht und auch wie diese behandelt worden waren. (Az. C-473/13 u.a)
Der Gerichtshof folgte in seiner Entscheidung einem Antrag seines Generalanwalts Yves Bot, der die Unterbringung der Betroffenen in gewöhnlichen Gefängnissen als Verstoß gegen die »Menschenwürde von Migranten« kritisiert hatte. Ihr Freiheitsentzug sei keine Strafe, deshalb müssten sie in speziellen Einrichtungen untergebracht werden. Dabei seien auch die »besonderen Bedürfnisse« ihrer Familien und Kinder zu berücksichtigen.
Der EuGH betonte nun, dass laut der EU-Rückführungsrichtlinie Abschiebehäftlinge »grundsätzlich« in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen seien. Die Bundesregierung müsse deshalb sicherstellen, dass Bundesländer, die dies nicht leisten können, Betroffene in Einrichtungen andere Bundesländer unterbringen.
Dem Generalanwalt zufolge verfügten zum Zeitpunkt der Klagen von 2011 und 2012 zehn der 16 Bundesländer über keine gesonderten Einrichtungen. Sie quartierten abzuschiebende Flüchtlinge in Gefängnisse ein und behandelten sie teils auch wie übliche Strafgefangene.
Das Gericht entschied überdies, dass Abzuschiebende selbst dann nicht mit gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden dürfen, wenn sie dem selbst zustimmen. Eine Vietnamesin hatte in Bayern einer entsprechenden Unterbringung zugestimmt, um mit Landsleuten zusammen sein zu können.
Pro Asyl: EuGH-Urteil beendet rechtswidrige Vollzugspraxis
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl forderte nach dem Urteil »die sofortige Freilassung von Abschiebungshäftlingen aus der Strafhaft«. »Der Skandal, dass sehenden Auges jahrelang rechtswidrig inhaftiert wurde, muss nun umgehend beendet werden«, sagte Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von Pro Asyl. Die Organisation fordert zudem, »das Instrument der Abschiebungshaft grundlegend auf den Prüfstand zu stellen.«
AFP/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.