Einfachere Zeugnisse - mit »Könnensprofilen«
In Rheinland-Pfalz nutzen viele Grundschulen eine neue Methode der Schülerbewertung
Bei der Frage, ob Kinder schon den Zahlenraum von 1 bis 1000 beherrschen, können Lehrer beispielsweise ankreuzen: »Das kannst Du schon sicher« oder »Das musst Du noch üben«. In diesem Stil präsentieren sich die neuen einfacheren Zeugnisse für Dritt- und Viertklässler in Rheinland-Pfalz. Erstmals werden sie zum Schuljahresende am kommenden Freitag ausgegeben - und finden laut einer Umfrage guten Anklang bei den Grundschulen.
Diese können nun wählen, ob sie die traditionellen Schulnoten weiterhin mit frei formulierten oder neuen standardisierten Beurteilungen ergänzen. Diese kompaktere Lösung geht vornehmlich auf einen Vorschlag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) zurück. Er hat jetzt alle Grundschulen im Land angeschrieben. Fast 1000 sind das.
Rund 370 haben geantwortet. Davon haben sich drei Viertel für die neuen »Könnensprofile« entschieden. Ein großer Teil der übrigen Grundschulen werde im nächsten Schuljahr vermutlich ebenfalls diese Lösung wählen, teilt die Gewerkschaft mit. Sie spricht von einem schulpolitischen Treffer der rot-grünen Landesregierung. »Die neuen Grundschulzeugnisse mit ›Könnensprofilen‹ haben sich bereits im ersten Anlauf und trotz geringer Vorbereitungszeit durchgesetzt.« Sie sind laut VBE »für Eltern verständlicher, in der Beurteilung noch individueller, im Umfang kompakter und insgesamt treffender«. Lehrer hätten weniger Aufwand und könnten sich vor Zeugnisterminen mehr dem Unterricht widmen. Keineswegs handelt es sich dabei immer um die gleichen Textbausteine. So stellt der VBE fest: »Die Formulierung der ›Könnensprofile‹ fällt an den Schulen sehr individuell aus.« Das widerlege Befürchtungen, die einzelne Förderung von Kindern werde beeinträchtigt.
Der Verband kritisiert indes, dass die Hälfte der Schüler nichts von der Reform habe: Bislang sind »Könnensprofile« nur in den dritten und vierten Klassen zulässig. Laut Umfrage plädiert die große Mehrheit der Grundschulen für den Einsatz auch im ersten und zweiten Jahrgang. Kommt es irgendwann dazu? Der Sprecher des Bildungsministeriums, Wolf-Jürgen Karle, sagt: »Darüber kann man reden.«
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Klaus-Peter Hammer, findet die neue Wahlmöglichkeit zwischen umfangreicheren Verbalzeugnissen und kompakteren »Könnensprofilen« gut. »Wir wollten generell eine Vereinfachung der Zeugnisse. Ich kenne aber auch viele Schulen, die froh sind, dass auch weiterhin Verbalzeugnisse möglich sind, um Bewertungen ausführlicher begründen zu können.«
Das sieht die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Opposition im Landtag, Bettina Dickes, anders. Zeitsparende »Könnensprofile« seien mit ihrer besseren Verständlichkeit und Vergleichbarkeit ein Teilfortschritt. Nicht aber die neue Wahlfreiheit: Die alten Verbalzeugnisse müssten ganz abgeschafft werden, auch im Sinne einer einheitlichen Lösung. »Sonst droht ein Chaos.«
Ministeriumssprecher Karle weist noch auf eine andere Neuerung hin, auf die viele Mütter und Väter gedrungen haben: Erstmals hat es nun in den dritten und vierten Klassen neben dem Halbjahreszeugnis mit Noten auch Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräche gegeben. »Die haben sich bewährt.« Schulen, Politik, Gewerkschaften - hier stünden alle dahinter. Im zweiten Jahrgang gibt es diese Unterredungen schon länger.
Tatsächlich äußern sich auch die Schulverbände und die CDU positiv. Die Landtagsabgeordnete Dickes sagt: »Diese Gespräche sind absolut positiv und sinnvoll. Die Kinder und Eltern bekommen eine direkte Rückkoppelung und neue Anregungen, wie es weitergehen soll.« dpa/nd
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