Vom Gedöns zur Flexiquote

Die Große Koalition hat keinen Plan für ein Ende der Diskriminierung von Frauen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Gleichstellungspolitik ist kein Steckenpferd dieser Regierung. Frauen verdienen weniger, haben kaum Führungspositionen und stehen bei der Rente schlechter da. Doch gibt es keine Initiative, es zu ändern.

An bundesdeutschen Gymnasien lernen mehr Mädchen als Jungen, auch über die Hälfte der Studienanfänger ist weiblich. Das sind aber auch fast die einzigen Beispiele für mehr gesellschaftliche Gleichberechtigung. Schaut man auf die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, gehört Deutschland mit einem um 22 Prozent geringeren Frauenverdienst zu den Schlusslichtern in Europa, auch mit dem weiblichen Anteil an Führungspositionen ist kein Staat zu machen. Dafür haben wir hierzulande zwei Drittel aller Niedriglohnjobs mit Frauen besetzt, ihnen zudem ganz überwiegend die Kindererziehung übergeholfen - den damit verbundenen Arbeitsausfall sowie Renteneinbußen selbstverständlich inclusive. Man sollte meinen, zahlreiche Gesetzesinitiativen würden auf eine Änderung dieser blamablen Lage zielen, doch weit gefehlt. Außer der Feststellung eines unbefriedigenden Status quo im Koalitionsvertrag gibt es lediglich schwammig formulierte allgemeine Ziele.

2001 hatte es die sozialdemokratische Familienministerin Christine Bergmann gewagt, Unternehmen per Gesetz zu Mindeststandards bei der Gleichstellung verpflichten zu wollen, um die Chancen berufstätiger Frauen zu erhöhen. Eine verbindliche Frauenquote in privaten Führungszirkeln hatte damals so wenig eine Chance wie heute und wurde von Bergmanns männlichen Parteikollegen als »Gedöns« abqualifiziert. Sogar die Unternehmerinnen waren entsetzt und erklärten, gut ausgebildete Frauen brauchten diese Quote gar nicht. Es scheint, als hätte die Abqualifizierung des Bergmannschen Gesetzesvorhabens vor nunmehr 13 Jahren der Gleichstellungspolitik einen solchen Schlag versetzt, dass sie sich bis heute nicht davon erholte.

Während in anderen europäischen Ländern wie Norwegen verbindliche Quoten für einen hohen Anteil von Frauen in Führungspositionen sorgten, gilt in Deutschland die Flexiquote der christdemokratischen Familienministerin Kristina Schröder - lediglich eine Pflicht zu einer wie auch immer gearteten Selbstverpflichtung - und gibt das Land auf diesem Gebiet der Lächerlichkeit preis. Mütter werden mit Betreuungsgeld geschmiert, damit sie gar nicht auf die Idee kommen, sich im Berufsleben zu behaupten und mehr und bessere Kinderbetreuung zu verlangen.

Kürzlich debattierte der Bundestag den Entwurf der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne für ein Führungskräftegesetz mit einer Quotierung und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat angesichts der neuen Statistik rasche gesetzliche Maßnahmen zur Angleichung der Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen gefordert: »Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz, denn ein Lohngefälle bei gleicher Arbeit ist in unserer Gesellschaft nicht mehr akzeptabel, aber leider noch Realität.« Sie warf der Bundesregierung vor, der Gleichstellungspolitik keine Priorität einzuräumen.

Selbst aus der sozialdemokratischen Fraktion kommt die Forderung nach einer 30-prozentigen Frauenquote in Führungsebenen. »Erst wenn die kritische Masse von 30 Prozent erreicht ist, kann sich die Unternehmens- und Führungskultur in den Unternehmen ändern. Nur dann werden wir mittelfristig unser Ziel, die Parität in den Topetagen, erreichen«, meinen Sönke Rix und Birgit Kömpel.

Für die LINKE ist die SPD mitverantwortlich für »den frauenpolitischen Blindflug der Bundesregierung«, wie es die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Cornelia Möhring formuliert. »Leider hat die SPD innerhalb der Großen Koalition für ein Miniquötchen in Aufsichtsräten alle nötige Gleichstellungspolitik für Frauen in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern und Familienstrukturen auf Eis gelegt.« Die Statistik belege Stillstand und Stillschweigen der Bundesregierung gegenüber der anhaltenden Diskriminierung der Lebenschancen von Frauen in einem reichen Land wie Deutschland.

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