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Gastgewerbe gibt sich arm

Erste Verhandlungsrunde in Bayern ergebnislos vertagt

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Branche hat keinen Grund zum Jammern«, mit diesen Worten kommentierte Freddy Adjan, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft NGG in Bayern die gestern begonnenen Tarifverhandlungen im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die Gewerkschaft fordert für die rund 150 000 dort Beschäftigten eine Erhöhung der Entgelte um 120 Euro, die Ausbildungsvergütung soll monatlich um 60 Euro steigen. Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband gab vorab keine Stellungsnahme zu den Forderung. »Wir hören und zunächst einmal an, was die Gewerkschaften zu sagen haben«, so ein Verbandssprecher zum »nd«.

Knapp unter 2000 Euro brutto liegt der Durchschnittsverdienst eines Facharbeiters in der Dienstleistungsbranche, in der vom Kellner über das Zimmermädchen bis zum Koch verschiedene Berufe zusammengefasst sind. »Der Tourismus in Bayern boomt, und das Gastgewerbe verzeichnete im Jahr 2013 laut Bayerischem Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung eine Umsatzsteigerung von 2,5 Prozent«, so NGG-Gewerkschafter Adjan. Den Pauschalbetrag versteht er als soziale Komponente gegenüber einer prozentualen Erhöhung. Wie lange die in München stattfindenden Tarifverhandlungen dauern, sei schwer einzuschätzen.

Ein Thema, wenn auch nur am Rande, wird die Einführung des Mindestlohnes in der Branche sein. Randständig ist das Thema deshalb, weil tarifbedingt bereits die unterste Lohngruppe über dem Mindestlohn von 8,50 Euro liegt. Aber es geht dabei auch um die Betriebe ohne Tarifvertrag. Deshalb will die Gewerkschaft mit dem Arbeitgeberverband auch über einen gemeinsamen Antrag zur Allgemeinverbindlichkeit der untersten Lohngruppen beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit verhandeln. »Nur mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung der untersten Lohngruppen (derzeit zwischen 8,70 Euro und 9,45 Euro pro Stunde) wäre gewährleistet, dass die Beschäftigten nicht mehr mit Magerlöhnen von teilweise fünf bis acht Euro abgespeist werden«, so Adjan. Nach dem aktuellen Sozialbericht der Bayerischen Staatsregierung seien über 60 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten im bayerischen Gastgewerbe sogenannte Niedriglohnbezieher und bei diesen durch das geringe Einkommen die Altersarmut programmiert.

Das Lohnniveau in der Branche sei auch einer der Gründe, warum in der Gastronomie in Bayern ein Fachkräftemangel herrsche. So beklagten laut einer Studie der Fachhochschule München 75 Prozent der Manager in Hotellerie und Gastronomie einen eklatanten Mangel an Fachkräften. Ebenso viele sagten aus, deutlich länger als noch vor einigen Jahren zu brauchen, um offene Stellen neu zu besetzen. Neben dem Lohnniveau sind für Gewerkschafter Adjan auch die schwierigen Arbeitszeiten und der oft raue Ton der Branche im Umgang mit Beschäftigten weitere Ursachen. Adjan: »Die Wirte und Hoteliers müssen erkennen, dass die Beschäftigten nur dann in die Branche kommen beziehungsweise in der Branche bleiben, wenn sie zeitgemäße Arbeitsbedingungen vorfinden und anständig entlohnt werden.«

Die erste Verhandlungsrunde endete am Donnerstag nach einer Stunde ergebnislos, sagte Adjan gegenüber »nd«. Die Arbeitgeberseite habe 1,7 Prozent mehr Geld bis Ende 2015 angeboten und weitere 1,5 Prozent für bis Ende 2016. Die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit für die untersten Lohngruppen lehnte sie ab - ein für die NGG untragbares Angebot. Die Gespräche werden am 12. September fortgesetzt.

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