Nazispuk im Zwergenformat

Nur noch 195 Rechtsextremisten, aber mehr als 1000 Antifaschisten beim »Trauermarsch« in Bad Nenndorf

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den Widerstand von über 1000 Antifaschisten sind 195 Neonazis am Samstag im niedersächsischen Bad Nenndorf gestoßen. Seit 2006 treffen sich dort Rechtsextreme zu einem Marsch. Ihre Zahl schrumpft von Jahr zu Jahr.

Auch mit einer bundesweiten Mobilisierungsaktion per Internet hat die rechtsradikale Szene den kontinuierlichen Schwund derjenigen, die sich das Kurstädtchen zum Wallfahrtsort erkoren hat, nicht stoppen können. Über 1000 Neonazis hatten sich dort noch 2010 zu ihrem sogenannten »Trauermarsch« auf das Wincklerbad zusammengerottet. Dort hatte die britische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg teils hochrangige Gefolgsleute des Hitler-Regimes verhört und auch misshandelt.

Im vergangenen Jahr waren nur noch 300 Männer und Frauen mit rechten Parolen und Getrommel durch den Ort gezogen, am diesem Samstag waren es nun gerade mal noch 195. »Ein Zwergenaufstand«, so bewertete DGB-Regionalsekretär Steffen Holz in seiner Rede zur antifaschistischen Kundgebung die erneut kleiner gewordene Schar.

Viele der früheren Marschierer dürften mittlerweile erkannt haben, wie unwillkommen sie in Bad Nenndorf sind. Zahlreiche Menschen dort engagieren sich im »Bündnis gegen Rechtsextremismus«, das jetzt wieder mit Aktionen zum Motto »Bad Nenndorf ist bunt« den Marschierern signalisierte: Verschwindet!

Unterstützt wurden und werden die Kurstädter dabei von antifaschistischen Kräften aus ganz Niedersachsen, so von der Initiative »Kein Naziaufmarsch«, von Gewerkschaften, dem Verein der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) und der politischen Ebene. Namens der Landesregierung dankte der Staatssekretär des Innenministeriums, Stephan Manke, während der Kundgebung allen, die gegen das braune Spektakel demonstrieren. Dieser Protest solle weiter geführt werden, bis auch noch das kleine Häufchen der Rechtsradikalen aus dem Ort verschwindet. »Lassen Sie uns gemeinsam die Nazis aus Bad Nenndorf vertreiben«, appellierte der Staatssekretär. Als weitere Repräsentanten des Landes waren Landtags-Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann (SPD) und Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) erschienen.

»Prominenz« hatten auch die Nazis mitgebracht: Der ehemalige Vizechef der rechtsextremen britischen Partei BNP, Richard Edmonds, und der britische Holocaust-Leugner Peter Rushdon unterhielten sich am Nenndorfer Bahnhof angeregt mit Thomas Wulff, einem vor allem in Norddeutschlands rechter Szene einflussreichen Mann. Doch auch diese im braunen Umfeld so geschätzten Namen vermochten nicht, das Abbröckeln der Marschkolonne auf Zwergenniveau zu stoppen.

Ziel der mit etwa 1700 Beamten präsenten Polizei war es, Nazis und Gegendemonstranten voneinander fernzuhalten, was die Einsatzkräfte auch erreichten. Eine Blockade, mit der Antifaschisten 2013 die Kundgebung der Nazis verhindert hatten, gelang am Samstag nicht. So konnten sie ihre kruden Parolen am Wincklerbad abspulen, doch zu hören waren sie kaum. Den rechten Sermon übertönte ein lautes Kreischen, Pfeifen und Tröten, das eine Gruppe Nenndorfer von sich gab – sie alle als Schlümpfe kostümiert, passend zum immer mehr schrumpfenden Umfang des Naziaufmarsches.

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